Von allen guten und bösen Geistern verlassen

In Großbritannien wird der Premierminister nicht vom Volk gewählt. Der Monarch ernennt den jeweiligen Mehrheitsführer.

Boris Johnson beim Käserennen

Während Deutschland sich noch seines Feiertages erfreute, wurde in Großbritannien ganz normal gearbeitet. Der Pfingstmontag ist dort kein gesetzlicher Feiertag. Generelle hat, obwohl Großbritannien ein christliches Land ist, dort Pfingsten nicht so die Bedeutung wie hierzulande. Wesentlich wichtiger ist zum Beispiel das alljährliche Käserennen, welches am vergangenen Pfingstsonntag erneut stattfand.

Wie dem auch sei, auch in der britischen Hauptstadt ging es, mehr oder weniger, um Käse. Und zwar um den, welcher vom Premierminister Boris Johnson verzapft wurde. Mitarbeiter unter seiner Führung, die wilde Partys feiern, während der Rest der Briten im Lockdown ist, kommt nicht gut an. Vor allem nicht, wenn man Partys feiert, während die Queen ihren verstorbenen Gatten betrauert.

Mittlerweile würden über 60 Prozent der Bürger:innen Großbritanniens auf Johnson als Premier herzlich gern verzichten. Allerdings ist das Verzichten nicht ganz so einfach — auch in Deutschland folgt auf den Unmut der Wähler:innen nicht automatisch, dass man den Bundeskanzler beziehungsweise die Bundeskanzlerin mit Mistgabeln und Fackeln aus dem Dorf jagt. Bundestag und britisches Parlament, das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe.

Misstrauensvotum gegen Großbritannien

Ein Misstrauensvotum gegenüber Großbritannien wurde nicht gestellt, er umgekehrt. Großbritannien stellt in Form des Brexits eines gegenüber der Europäischen Union. Dabei ist der umgesetzte Brexit das Markenzeichen des aktuellen Premierministers Boris Johnson. Dessen derzeitige Popularität erwähnte ich bereits.

Auf der Internetseite der Süddeutschen Zeitung und morgen dann wohl auch in der Printausgabe (wir erinnern uns, die Sache mit dem Feiertag) gibt es einen Artikel zum Misstrauensvotum gegen Johnson. Formal hat er die Abstimmung im Parlament gewonnen, heißt es. Im Artikel geht es dann im Kern um die abgelaufene Schonfrist für den Premier, weniger um die Besonderheiten der Demokratie in Großbritannien. Gerade aber die sollte man kennen, um ansatzweise den Ablauf des Misstrauensvotums zu verstehen.

In Deutschland sieht die Sache mit dem Misstrauensvotum wie folgt aus. Voran geht ein Misstrauensantrag oder das Stellen der Vertrauensfrage durch den / die Bundeskanzler:in. These dabei: Es gibt keine parlamentarische Mehrheit mehr für den Kurs der Bundesregierung und der Bundeskanzlerin bzw. des Bundeskanzlers. Es erfolgt eine Abstimmung im Bundestag unter Beteiligung der Abgeordneten aller Fraktionen.

Nicht so in Großbritannien. Der englische Premierminister ist der Mehrheitsführer der jeweils stärksten Partei im Unterhaus. Einem Misstrauensvotum geht eine schriftliche Misstrauenserklärung der Abgeordneten dieser Partei voraus. Erst wenn eine bestimmte Anzahl an Abgeordneten (in Fall von Johnson also die der Tories) ihr Misstrauen ausgesprochen hat, kommt es zu einem Misstrauensvotum. Dabei erfolgt eine Abstimmung unter den Abgeordneten der Partei, welcher der Premierminister angehört. Im Kern entscheiden also ausschließlich die Tories über die Ablösung von Boris Johnson. Auf mich wirkt das wie eine zahnlose Opposition. Würde diese nämlich mit abstimmen können, hätte Johnson das Misstrauensvotum sicher nicht überstanden.

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