Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Das Thema Rassismus im Umfeld von Brettspielen ist eine heikle Sache. Insbesondere bei Übersetzung können sich böse Fehler einschleichen.

We-niger ist oft mehr

Die letzten Tage rang ich mit mir, ob ich überhaupt zu einem aktuellen Vorfall etwas schreiben soll. Oder ob es nicht bequemer und besser wäre, das Thema einfach unter den Tisch fallen zu lassen. Nachdem ich heute Morgen einen sehr guten Artikel dazu beim Frühstück las, möchte aber nun doch ein paar Gedanken in den Ring werden.

Fangen wir dabei mal ganz anders an und gehen der Frage nach, was Sprache in unseren Köpfen anstellt und wie gefährlich es ist, alles einfach über denselben Kamm zu scheren.

Everquest Online Adventures auf der Playstation 2 — gefühlt ist das eine Ewigkeit her, schau ich hier im Blog nach, stoße ich auf Artikel aus dem Jahr 2003 dazu. Mir hat das Spiel großen Spaß gemacht, weniger allerdings die Zensur von Sony. Im Chat bei Everquest wäre der letzte Satz so nicht zu lesen gewesen. Uns Spieler ist das häufiger passiert, etwas ohne Hintergedanken zu schreiben, was einfach unterdrückt wurde. Des Rätsels Lösung ist dabei recht simpel. Im deutschen Wort „weniger“ steckt das Englische „Niger“. Eigentlich nur ein Missverständnis der Zensursoftware, allerdings mit Konsequenzen für die Spieler. Was ich damit sagen möchte: Begriffe in einer Sprache haben in einer andere möglicherweise eine andere Bedeutung oder einen anderen Kontext. Mit Rassismus hat „weniger“ auf jeden Fall nichts zu tun gehabt.

Totschlagen mit Rassismus

Soweit der vielleicht harmlosere Teil zum Thema Rassismus. Selbst aus harmlosen Dingen kann jedoch etwas unerwartet Hässliches entstehen. Etwa aus der Frage, ob Orks schwarz sind. Über diese Frage ist der italienische Spieleautor Daniele Tascin vor ein paar Tagen unschön gestolpert. Wobei „gestolpert“ recht harmlos klingt. Er löste eine Debatte über seinen vermeintlichen Rassismus aus und wurde öffentlichkeitswirksam „hingerichtet“. Anders kann man es wohl kaum nennen, wenn die wirtschaftliche Existenz eines Menschen zumindest zum Teil vernichtet wird. So distanzierte sich einer seiner deutschen Verlage von ihm.

Axel Bungart drüben im „Reich der Spiele“ schrieb dazu den lesenswerten Artikel „Rassismusvorwürfe gegen Daniele Tascini“. Eine wohltuend besonnen Stimme im recht lauten Geschrei in den sozialen Netzwerken. Leider ist es nämlich viel zu einfach, jemanden ohne handfeste Beweise Rassismus oder etwas anderes vorzuwerfen. Steht so was einmal im Raum, bekommt man es verdammt schwer wieder weg. Ein kleines Gerücht über einen Erzieher im Kindergarten reicht aus, den Rest erledigen Fantasie und „das hab ich immer schon gewusst“.

Mir geht es nicht darum, Rassismus zu verharmlosen. Mir wäre es aber bei solchen Vorfällen wie bei Daniele Tascini lieber, wenn im Netz nicht sofort zu Fackel und Mistgabel gegriffen würde. Vor allem fände ich es begrüßenswert, wenn etwa Verlage nicht erstaunlich schnell auf den Zug aufspringen.

In dubio pro reo

Wieder so eine fremdsprachliche Aussage. Deren Übersetzung ist jedoch einwandfrei geklärt: „Im Zweifel für den Angeklagten“. Das sollten sich einige aus der Brettspiel-Szene zu Herzen nehmen. Vor allem aber sich mal den gesamten Vorgang durch den Kopf gehen lassen. Mehr oder weniger (sic!) durch Hörensagen schaukelte sich hier etwas auf, was Tascin eine grundsätzliche böse Absicht und Rassismus unterstellte. Hier wurde, so wie ich das sehe, nicht objektiv und in Ruhe nachgehakt. Vor allem nicht erst mal unter Ausschluss der Öffentlichkeit das Gespräch gesucht. Vorverurteilung ist gefährlich. Noch gefährlich sind Lynch- und Selbstjustiz.

Mir wird immer schlecht, wenn ich Situation mitbekommen, die sich außerhalb unseres Rechtssystems bewegen. Kein Verfahren, kein Gericht, kein Richter — nur Standgerichte und eine flotte Aburteilung aufgrund vorgefertigter Meinung, gegen die man als Betroffener wehrlos ist.

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