Waltraud fühlte sich sicher und ging von keinem Widerspruch gegen ihren Vorschlag aus. Auf den ersten Blick hörte sich ihr Vorschlag wie eine Schnapsidee an. Von dem hatten sie für jedes erfolgreiche Tichu bereits einige getrunken. Genau das gehörte auch zum Plan von Waltraud. Als sie zusammen mit Hildegard in einem furiosen Finale den Sieg für sich entschieden hatte, warf sie ohne Ankündigung eine Ausgabe der Lausitzer Morgenpost auf den Tisch.
„Im Osten wird es einsam“ stand auf der Titelseite. Im dazugehörigen Artikel ging es um die schrumpfende Bevölkerungszahl im Osten, aber auch um Ostdeutsche Kreise mit Männerübschuss. Es blitzte in Waltrauds Augen, als sie die Zeitung wieder an sich nahm und laut vorlas.
„Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung spricht von ‚Not am Mann‘ in der Lausitz. Auch viele Männer über 50 würden alleine ohne Frau sein.“
Die anderen blickten Waltraud fragend an.
„Versteht ihr denn nicht? Da liegen uns die Männer zu Füßen. Wir können uns einen aussuchen. Oder zwei, drei.“
Besonders überzeugt sah keine der Frauen am Tisch aus. Marlies fasste die Skepsis als Erste in Worten.
„Noch ein Mann? Gerade du solltest doch genug haben.“
Eine Steilvorlage für Waltraud, die von Marlies Verhältnis zum Blumenhändler am Friedhof wusste.