Der SPD-Mitgliederentscheid, ausschlaggebend für die Annahme des Koalitionsvertrages sein soll, ist möglicherweise unzulässig. Die Abgeordneten im Bundestag sind letztendlich nur ihrem Gewissen verantwortlich.
In den letzten Zügen
Noch fehlen die letzte Details im Koalitionsvertrag, es wird zur Zeit verhandelt und gerungen. Nach Luft gerungen habe ich heute morgen auch, als ich einen Artikel auf der Webseite der Süddeutsche Zeitung las. Demnach prüft das Bundesverfassungsgericht die Zulässigkeit des SPD-Mitgliederentscheides. Gleich mehrfach wurde Klage eingereicht. Unabhängig vom Ausgang der richterlichen Entscheidung bleibt es Fakt, dass dem Mitgliederentscheid über die Annahme des Koalitionsvertrages eine bedeutsame Rolle zukommt. Es wird sich auf die Politik der nächsten Monate (vielleicht Jahre) genauso auswirken wie auf die Zukunft der SPD. Egal wie die Mitglieder entscheiden, es wird auch ein Echo in der Gesellschaft erzeugen. Das bürdet jedem Mitglied eine Verantwortung auf. Gleichzeitig muss es jeder mit seinem Gewissen ausmachen, ob er sich für ein Ja oder Nein entscheidet.
Das Gewissen ist an dieser Stelle auch das richtige Stichwort, um den Hintergrund der Klagen zu verstehen. Im Grundgesetz, Artikel 38 Absatz 1, findet sich ein nicht unrelevanter Passus:
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
Diese Stelle habe ich selber hier im Blog bereits häufiger zitiert.
Gewissen ist Trumpf
Aufträge und Weisungen, dass wäre nach meiner Lesart dann auch ein Mitgliederentscheid, der über die Annahme einer Koalition entscheidet. Für die Kläger gäbe es also einen handfesten Grund. Natürlich ist es an dieser Stelle äußerst bequem, sich auf das freie Gewissen zu berufen. Allerdings wird dabei der gesamte Prozess der politischen Willensbildung außer Acht gelassen. Abgeordneter im Bundestag ist kein Lehrberuf, man begibt sich auch nicht direkt für einen freien Sitzplatz. Es ist wesentlich komplizierter, als es vielleicht aussieht. Die Kurzform: Parteien nominieren Personen, die von den Wählerinnen und Wählern entweder unmittelbar (Direktmandate) oder mittelbar (Listenplätze) gewählt werden.
Zum Teil verdankt der Abgeordnete im Bundestag sein Amt der Partei, zum Teil aber auch dem Volk. Allerdings gibt es, egal welche Behauptungen im Raum stehen, kein Votum für eine bestimmte Koalition. Es werden nur Personen und Parteien gewählt. Der Wählerauftrag ist immer Interpretationssache. Wie aus der Schulzeit bekannt sein dürfte, gibt es für ein und das selbe Gedicht immer ganz unterschiedliche Interpretationen. Häufig genug ist auch mehr als eine Interpretation zutreffend. Mit dem Gewissen der Abgeordneten kommen wir jedenfalls an dieser Stelle nicht weiter. Meiner Meinung nach ist der Mitgleiderenstcheid über den Koalitionsvertrag ein wichtiger Bestandteil der politischen Willensbildung. Er zeichnet im besonderen Maße auch den demokratischen Prozess innerhalb der SPD aus. Egal wie der Mitgliederentscheid letztendlich ausfallen wird, kann man in gewisser Weise stolz auf diese Vorgehensweise sein. Die Rechtmäßigkeit zu Fall zu bringen, ist dagegen undemokratisch und der Versuch, ein Ergebnis zu erzwingen.