In der schönen neuen Digitalwelt kann ein Smartfernseher mühelos zu einem bayrischen Problembär mutieren. Nämlich dann, wenn man den Fernseher verkauft.
amazon Account gehackt
Nichts ahnend verbrachten meine Frau und ich den gestrigen Abend vor Fernseher mit Netflix. Zwei weitere Folgen einer neuen Science Fiction Serie, die etwas an Blade Runner erinnert. Als es dann Zeit war, ins Bett zu gehen (ist bei älteren Leuten schon etwas früher der Fall), überprüfte meine Frau noch mal ihre E-Mails. Eine Gewohnheit, die so in Fleisch und Blut übergegangen ist, dass an selbst dann nicht abstellen kann, wenn man einheitlich krank ist.
Es waren aber keine beruflichen E-Mails, die meine Frau plötzlich wieder hellwach werden ließen. Sondern zwei E-Mails von amazon Prime, die über das erfolgreiche Ausleihen zweier kostenpflichtiger Filme informierten. In zeitlichen Abständen so, dass man die entsprechende Filme auch hätte sehen können. Anders als zunächst vermutet waren es nicht mal gefakte Mails, sie stammten tatsächlich von amazon, wie eine erste Überprüfung ergab. Wir handhaben das immer so, dass nichts in den Mails anklicken und uns direkt über den Browser im Kundenkonto anmelden.
Mehrere Filme gleichzeitig
Smartfernseher haben mitunter eine Bild-in-Bild Funktion, mit denen man gleichzeitig mehre Sendungen verfolgen kann. Davon hatten wir gestern Abend jedoch keinen Gebrauch gemacht. Zumal die angeblich ausgeliehenen Filme auch gar nicht unserem Geschmack treffen. So einen Müll wie Fast & Furious 7 würden uns nicht mal unter Alkoholeinfluss ansehen. Für uns war es eine naheliegende Vermutung, dass der Account gehackt wurde. Umgehend änderte meine Frau ihr Passwort, aktivierte die Zwei-Faktor-Authentifizierung und setzte noch ein PIN, dessen Eingabe künftig bei jedem Ausleihvorgang über Prime notwendig ist. Dann versuchten wir uns zu überlegen, wie jemand ihren Account hacken konnte. War es vielleicht ein Schüler, der sich rächen wollte? Schließlich gab es ja am vergangene Freitag Zeugnisse. Aber dann nur zwei Filme ausleihen? Ziemlich merkwürdig.
Wir hätten das Ganze auf sich beruhen lassen und uns mit der vorgenommenen Absicherung zufrieden geben können. Aber es rumorte in uns beiden. Acht Euro Lehrgeld ist nicht wirklich viel, da gibt es Hacker, die deutlich mehr Schaden anrichten. Trotzdem, es ging ums Prinzip. Also ließ sich meine Frau über die Webseite von amazon anrufen. Ja, das geht auch noch an einem Samstag um 23:27 Uhr. Der erste Versuch scheiterte an einer nicht wirklich gut deutsch sprechenden Mitarbeiterin, die an der Nennung der Zwei-Faktor-Authentifizierungsnummer beharrte, die sie meiner Frau zugeschickt hatte. Blöd, wenn man gerade genau mit dem Telefon telefoniert. Hier half auch keine Überredungskunst.
Accountfalle Smartfernseher
Beim zweiten Anlauf nahm meine Frau das Festnetztelefon, um ihr Handy für die SMS bereit zu haben. Diesmal war jedoch keine Zwei-Faktor-Authentifizierung erforderlich – warum auch immer. Nach dem sie dem Mitarbeiter ihr Problem geschildert hatte, wurde sie zum Second-Level-Support weitergeleitet. Glaubhaft konnte sie versichern, dass wir auf keinen Fall diese Filme ausliehen hätte. Der Mitarbeiter stornierte sie — acht Euro gespart. Interessanterweise wies er darauf hin, dass die Filme über einen Samsung Fernseher ausgeliehen worden seihen. Noch während meine Frau telefonierte, eilte ich zu unserem Smartfernseher von Samsung. Darauf ist zwar die amazon-App, jedoch sind keine Anmeldedaten hinterlegt. Bisher waren wir dafür zu faul.
Später, im Badezimmer beim Zähneputzen. Irgendwie beschäftigte mich das ganze doch noch, auch wenn es jetzt ein gutes Ende genommen hatte. Der Mitarbeiter hatte zusätzlich noch den Fernseher aus der Geräteliste entfernt. Dennoch, ein komisch Gefühl blieb. So grübelte ich. Putzte weiter. Und grübelte. Plötzlich viel der Groschen (der eigentlich ja jetzt ein Cent-Stück ist…). Vor Weihnachten hatten wir uns unseren neuen Smartfernseher gekauft. Er ersetzte ein älteres Modell mit kleinerem Bildschirm. Das ältere Modell war ebenfalls ein Smartfernseher von Samsung gewesen. Dort hatten wir uns tatsächlich in der amazon-App mit dem account meiner Frau angemeldet. Den Fernseher hatten wir im Dezember verkauft.
An Werkseinstellung denken
Bei Computer formatiere ich die Festplatte mehrfach, bevor ich ihn in fremde Hände gebe. Unsere iPhones werden komplett auf Werkseinstellung zurückgesetzt. Auch bei anderen Geräten wie alten Spielekonsole sind wir stets bemühten, keine Reste zurück zu lassen. Ein Fernseher ist aber für uns halt immer noch ein Fernseher, selbst wenn es ein Smartfernseher. Dort war nicht der amazon-Account hinterlegt, sondern auch noch der Netflix-Account. Ist ja schön bequem. Ist aber schön blöd, wenn man das beim Verkauf nicht löscht.
Wie lange der Käufer des Fernsehers von unserer Fahrlässigkeit bereits profitiert, lässt sich nicht überprüfen. Wäre er nicht so blöd gewesen und hätte sich kostenpflichtige Filme ausgeliehen, hätten wir es vermutlich auch nie gemerkt. Selber Schuld! Wenn man schon so viel Glück hat, sollte man es nicht überziehen. Uns wird das auf jeden Fall eine Lehre sein.