Nach dem gestrigen Bundesparteitag von der SPD als Partei ohne Begeisterung zu sprechen, ist leicht. Aber wird es ihr gerecht?
Befürchtetes Ergebnis
Das am Sonntag in Bonn von den Delegierten zugestimmt werden würde zu den Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU war zu befürchten. Natürlich stirbt die Hoffnung immer zuletzt. Auch ich hatte gehofft, dass die Mehrheit bereits an diesem Punkt Einsicht zeigen würde. Aber die Mehrheit der Delegierten ist unbestechlich. Sie nehmen nicht mal Vernunft an. Wobei das mit der Mehrheit so eine Sache ist.
Zum Einen muss man festhalten, dass es sich lediglich um eine knappe Mehrheit gehandelt hat. Nur 56 Prozent der Delegierten stimmten für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. Zum Anderen war es keine geheime Abstimmung, was ich mir an dieser Stelle gewünscht hätte. Per Handzeichen abstimmen zu lassen mag üblich sein, manchmal ist es aber unangebracht.
SPD als Partei ohne Begeisterung
Nach gestern muss man sich ernsthaft die Frage stellen, wie es in und mit der SPD weitergeht. Ist ist nicht nur das knappe Ergebnis, welches Fragen aufwirft, sondern auch die Rede von Martin Schulz. Die Reaktion auf seine einstündige Rede lässt die SPD als Partei ohne Begeisterung dastehen. Wieso ist das so? Letztes Jahr im März wurde Martin Schulz auf einem Bundesparteitag mit 100 Prozent der Stimmen (das ist selbst für die SPD ungewöhnlich) gewählt. Im Verlauf der folgenden Monate zeichnete sich bereits ab, dass dies nur ein Strohfeuer gewesen war. Die Begeisterung auch an der Basis flachte ab, man befürchtet, Schulz könne nur Europa richtig gut. Auch mich überzeugte der Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl nicht.
Üblich bei der SPD ist es, selbst dann aufzustehen und zu klatschen, wenn der Vorsitzende eine nur müde Rede gehalten hat. Am Sonntag blieben die Delegierten nach der Rede von Schulz sitzen, der Applaus wurde als eher spärlich bezeichnet. Schuld daran war auch die Rede von Schulz und die Form, in der sie vorgetragen wurde. Wer lediglich vom Manuskript abliest, kein nicht mitreissen. Ganz anders dagegen der Auftritt des Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert. Weitestgehend ihn Manuskript schaute er seine Zuhörer an, riss die Delegierten mit sich — zumindest den Teil, der eine Große Koalition ablehnt.
Mutloses Ja
Genau diese beiden Reden zeigen einen deutlichen Unterschied. Wenn nicht mal die Befürworter eine Großen Koalition von der Rede ihres Vorsitzenden begeistert sind, dann hat die Partei ein echtes Problem. Ein Problem, das Vor- und Nachnamen hat.
Erschöpfter Königspinguin im TV-Studio
Süddeutsche Zeitung über Martin Schulz bei Anne Will
Der vermeintliche Sieg den Martin Schulz auf dem Bundesparteitag errungen hat, hat ihn eigentlich als Vorsitzenden der SPD geschwächt. Ganz ehrlich: es wäre besser für ihn und die Partei, wenn er nach den Koalitionsverhandlungen zurücktreten würde — unabhängig davon, ob die SPD in eine gemeinsame Bundesregierung mit CDU und CSU eintritt oder in die Opposition geht. Schulz hat seine persönliche Glaubwürdigkeit verspielt. Wer eine Große Koalition kategorische ausschließt, auch verneint, Minister unter Merkel zu werden, ist unglaubwürdig wenn er das Gegenteil tut.
Schwere Verletzungen
Was die Partei ohne Begeisterung dringend benötigt, wäre ein Neuanfang. Für den kann auch Andrea Nahles nicht stehen, die mit ihre Rede ihrem Vorgehen vor dem Bundesparteitag der innerparteilichen Demokratie Schaden zugefügt hat. Statt Öl ins Feuer zu gießen und Kritiker zu beleidigen, mit Druck und Erpressung zu arbeiten wäre eine sanfte Moderation notwendig gewesen. So hat sie aber ihren Teil dazu beigetragen, der Riss in der Partei noch deutlicher zum Vorschein treten zu lassen. Diese Zerrissenheit wird der SPD Mitglieder kosten. Nicht sofort, aber mit Sicherheit nach dem Mitgliederentscheid über die Annahme der Großen Koalition. Genau dran besteht aber so was wie die letzte Chance der SPD. Wer jetzt eintritt, hat noch die Möglichkeit mit seiner Stimme das Ruder herumzureißen und das Schlimmste zu verhindern.
Was mich persönlich schwer verletzt hat am Ergebnis, ist das Verhalten so einiger Delegierter. Ein Beispiel. Die KölnSPD hat am vergangenen Freitag mit einer Mehrheit von 70 Prozent gegen die Große Koalition gestimmten. Von den sieben Delegierten aus Köln stimmten dann am Sonntag aber nur zwei gegen die Große Koalition. Hier läuft definitiv etwas schief in der politischen Willensbildung. Auch die Art und Weise, wie vom Parteivorstand für die große Koalition gekämpft wurde und wird, ist grenzverletzend. Wir haben derzeit nicht nur eine Partei ohne Begeisterung, sondern auch eine, die sich selber schweren Schaden zufügt.
2 Kommentare
Weißt du, ich glaube, die Rede von Schulz war auch deswegen so schwach, weil er selbst nicht von der großen Koalition überzeugt ist. Er wurde von Nahles und anderen Mitgliedern des Parteivorstands zu den Sondierungen „gezwungen“, da bin ich mir ziemlich sicher. Und ich bin mir auch sicher, dass er sowieso nur aufgestellt wurde, um verbrannt zu werden.
Das hört sich jetzt sehr Schulz-freundlich an. Ich für meinen Teil halte ihn für einen Wendehals. Wenn der nicht einen Ministerposten bekommt (wo er doch schon nicht Kanzler geworden ist), hat er das Ende seiner Karriere erreicht.