Im Zusammenhang mit Glyphosat und dem Alleingang von Agrarminister Christian Schmidt von Verrat zu sprechen, ist schnell und billig. Insbesondere, weil die Rollenverteilung in dem aufgeführten Stück so offensichtlich ist.
Bei Unstimmigkeiten enthalten
Vermutlich gab es nicht nur in der SPD, die gerade dabei ist, die Tür zu einer möglichen Großen Koalition einen Spalt weit zu öffnen, einen zweifachen Aufschrei. Unabhängig davon, ob wie derzeit eine lediglich geschäftsführende Bundesregierung im Amt ist oder eine reguläre, gibt es eine Vereinbarung bei Unstimmigkeiten zwischen den Ministerien. Sofern in einer 73-seitigen gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesregierung wurde festlegt, wie das Land regiert wird, wenn es Unstimmigkeiten gibt. Bei Meinungsverschiedenheiten darf keine Entscheidung getroffen werden, sondern es ist eine Enthaltung geboten.
Ganz konkret bedeutet das im Falle der Verlängerung beziehungsweise Neuzulassung von Glyphosat auf EU-Ebene, dass sich der deutsche Vertreter enthalten sollte. Insbesondere dann, wenn es einen klaren Dissens zwischen zwei im Prinzip zuständigen Ministerien gibt. Der Einsatz von Glyphosat betrifft sowohl das Agrarministerium als auch das Umweltministerium. Im einen Sitz Christian Schmidt (CSU) an der Spitze, im andern derzeit noch Barbara Hendricks (SPD). Von ihr gab es ein deutliches Veto. Das Schmidt sich bei der Abstimmung enthalten würde, war eigentlich gesetzt. Tat er dann aber nicht.
Nur scheinbar einfach
Nur mit der Zustimmung kam es zu einer Neuzulassung von Glyphosat für weitere fünf Jahre. Das führte dann zum ersten Aufschrei, denn Glyphosat gilt in bestimmten Teilen der Bevölkerung und auch bei entsprechenden Politikern, vornehmlich von der SPD und den Grünen, als böse. Folglich ist jemand, der einen weiteren Einsatz zustimmt, auch böse. Erst recht dann, wenn man den Eindruck hat, seine Zustimmung wäre unrechtmäßig. Den zweiten Aufschrei gab es dann, als Christian Schmidt lediglich gerügt und nicht umgehend von der Bundeskanzlerin entlassen wurde. Vor allem, weil es keine Bauchentscheidung gewesen ist, sondern die Zustimmung von langer Hand vorbereitet worden ist.
Also ganz einfach. Schmidt böse, Merkel böse. Glyphosat vergiftet das Klima einer möglichen Großen Koalition bevor diese überhaupt zustande kommt. Wäre mir im Prinzip recht, da ich kein Freund einer (erneuten) GroKo bin. Aber so scheinbar einfach ist das alles nicht.
Killerspiel mit Glyphosat
Die Zusammenhänge scheinen nur einfach zu sein, man verfällt in den Reflex, gerade auch, weil man das als willkommenes Argument gegen eine GroKo sieht. Argumente gegen den Einsatz von Glyphosat gibt es viele. Das Unkrautvernichtungsmittel tötet alle Pflanzen, die genetisch nicht verändert wurden. Unabhängig vom möglichen Krebsrisiko ist allein das schon ein Grund, dagegen zu sein. Ein unkontrollierter Einsatz würde das Artensterben beschleunigen. Zudem wird ein Monopol gefestigt, denn Landwirte müssen dann zwangsläufig genetisch verändertes Saatgut kaufen.
Über das Krebsrisiko von Glyphosat streiten sich die Experten. Hier als Verbraucher zu einer verlässlichen Einschätzung zu kommen, ist ziemlich schwer. Meiner Meinung nach darf man ein mögliches Risiko nicht auf die leichte Schulter nehmen. Bei allen Zulassungen sollte der Hersteller verpflichtet sein, die Unschädlichkeit zu beweisen und nicht andersherum, dass ihm die Schädlichkeit nachgewiesen werden muss.
Das Monsanto, der Erfinder von Glyphosat, in welcher Form auch immer, Einfluss auf die Entscheidung genommen haben wird, ist wahrscheinlich. Schließlich geht es hierbei um eine Menge Geld. Da kann man sich schon mal über die Bedenken der Verbraucher hinwegsetzen — zum Wohle der Aktionäre.
Nachvollziehbare Argumentation
Was die Entscheidung von Christian Schmidt für Glyphosat angeht, sollte man sich in jedem Fall mit der Argumentation seines Ministeriums auseinander setzen. So soll es Signale der EU-Kommission gegeben habe, trotz einer Ablehnung durch das Abstimmungsergebnis Glyphosat die Neuzulassung zu erteilen. Die Kommission hätte sich also über das Votum der Länder hinweggesetzt. Vertrauen in die Europäische Union schafft das nicht unbedingt.
Laut Süddeutsche Zeitung hat Schmidt aber einen Deal ausgehandelt. Seine Zustimmung im Austausch gegen folgende Punkte:
- Stärkung der Rolle von Biodiversität und Tierschutz
- Aufklärung über Gefahren für den Menschen
- Prüfung des Genehmigungsverfahren
Hört sich schwammig an, ist aber besser als nichts. Die Haltung von Schmidt ist zumindest nachvollziehbar. Besser einen Deal als keinen Deal und trotzdem eine Verlängerung der Zulassung.
Für mich ist das jedenfalls schwierig, da einen eigenen Standpunkt zu finden. Pauschal verteilen kann ich Schmidt definitiv nicht.