Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Mitte dieser Woche wurde bekanntgegeben, dass Toys „R“ Us pleite ist. Eine der Großen im Spielzeughandel droht von der Bildfläche zu verschwinden.

Bezugsrahmen

Für mich ist Toys „R“ Us ein Unternehmen, zu dem ich zu Beginn meines Studiums eine ambivalente Beziehung habe. Vorher, in Wesel, kannte ich die Firma noch nicht. Nur die unabhängigen Vedes-Läden. Als Kind liebte ich deren Kataloge. Fast in Wurfreichweite zu meiner ersten Wohnung gab es einen großen Laden von Toys „R“ Us, im Amerikahaus in Bielefeld. Mein erster Eindruck vom Laden: so was wie Aldi für Spiele. Mit dem Charme kleiner Spielwarengeschäfte konnte das nicht konkurrieren. Das Vedes-Geschäft auf der Feilenstraße war mir persönlich deutlich sympathischer.
Trotzdem suche ich Toys „R“ Us immer wieder auf — schließlich gab es dort immer wieder Sonderangebote bei Brettspielen, die sie loswerden wollten. Ein Sonderangebot und Einzelstück war auch mein allererster Kleiderschrank. Der stammte auch von dort und war sogar zusammengebaut. Die Anlieferung übernahm das Unternehmen ebenfalls. Das der Kiefernholz-Schrank eigentlich für ein Kinderzimmer gedacht war, hat mich nie gestört.

Toys "R" Us

Pexels / Pixabay

Toys „R“ Us verdrängt andere

Eigentlich hätte mir damals schon klar sein müssen, dass Toys „R“ Us kleine Einzelhändler im Spielwarenbereich verdrängt. Was wirtschaftliche Zusammenhänge angeht, bin und war ich schließlich nicht völlig unbedarft, dank Sozialwissenschaften als Abiturfach. Allerdings wurde mir erst deutlich, welche Gefahr von dem Riesen ausging, als ich während des Studiums nebenbei in einem Spieleladen in Bielefeld arbeitete. Als Toys „R“ Us dann aus dem Amerikahaus wieder verschwand, weinte ich ihm keine Träne nach. Mit fehlenden Berührungspunkten verhängte ich das Unternehmen auch vollständig aus meinem Bewusstsein.
Erst als ich am Mittwoch von der Pleite in der Süddeutsche Zeitung las, wurde mir das alles wieder bewusst. Die großen fressen die Kleinen, bis sie selber wieder von Größeren gefressen werden. Eine Ursache für die Pleite von Toys „R“ Us sei, so hieß es in der SZ, der Onlinehändler Amazon gewesen. Klar. Wenn immer jetzt ein Unternehmen vor die Wand fährt, ist es einfach und bequem, die Schuld bei Amazon zu suchen — nicht selten stimmt das sogar.

Leveraged Buy Out

Allerdings stieß ich im SZ-Artikel auf etwas, das mich stutzig machte. Kathrin Werner schrieb folgendes:

Im Jahr 2005 haben der Immobilienkonzern Vornado Realty Trust und die Finanzinvestoren Bain Capital und KKR die Kette übernommen und einen großen Teil des Kaufpreises in Höhe von 6,6 Milliarden Dollar auf Toys „R“ Us als Schulden abgewälzt.
Quelle: Süddeutsche Zeitung,  20.09.2017

Die Schulde waren es schließlich, die Toys „R“ Us das Genick brachen, da das Unternehmen gleichzeitig mit zurückgehenden Gewinnen zu kämpfen hatte.
Mich interessierte dann, wie man überhaupt eine Firma kaufen kann und dann ihr den Kaufpreis als Schulden aufdrücken kann. Das Ganze nennt sich Leveraged Buy Out und wird hier recht gut beschrieben. Scheint legal zu sein, moralisch halte ich das für bedenklich. Vor allem, wenn man gezielt weiter nach dem Stichwort googelt, trifft man auf heftige Artikel. Es scheint beliebt zu sein, mittelständische Unternehmen mit einer Eigenkapitalquote von 50 Prozent oder mehr aufzukaufen und sie regelrecht auszuplündern. Ihnen die Schulden aufzubürden, Mitarbeiter zu entlassen und die Produktqualität zu senken. Alles nur für eine kurzfristige Rendite. Dran ist dann tatsächlich Amazon nicht schuld, sondern unser perverses Wirtschaftssystem.

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