Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Das Zusammenleben in der Gemeinschaft erfordert Regeln. Deshalb verwundert es, wenn Regeln in der Schule plötzlich demotivierend sein sollen.

Erziehung als Lebensaufgabe

Zu Beginn muss ich etwas ausholen, denn zu behaupten, ich hätte kürzlich einen Artikel gelesen, wäre an dieser Stelle unpassend. „Kürzlich“ ist nämlich in diesem Zusammenhang maßlos untertrieben. Der Artikel von ZEIT-Online, auf den ich mich später beziehen werden, erschien Anfang des Jahres. Mir war klar, dass ich darüber was schreiben könnte, also legte ich eine Notiz an mit dem Link für später. Bei mir gibt es eine Art Themensammlung für zukünftige Blogartikel, die mittlerweile nach einem Umzug in einem Scrivener-Projekt ihr Zuhause gefunden hat. Erst dadurch ist sie mir auch wieder in die Hände gefallen. Während andere Themen an Aktualität verlieren und ich die Notiz dann lösche, gibt es auch Themen, die ich nach wie vor für interessant halte. Schule und Erziehung gehört für mich immer dazu, aus einer ganzen Reihe von Gründen. Es ist einfach Teil meiner Biographie, mich mit Schule zu beschäftigen, auch wenn ich beruflich etwas völlig anderes mache.
Das ich mit Erziehung auseinandersetze, ohne eigene Kinder zu haben, gehört auch zu mir. Erziehung ist meiner Meinung nach immer auch ein gesamtgesellschaftliches Projekt. Es ist auch ein Irrglaube, der Prozess der Erziehung wäre mit Erreichen der Volljährigkeit abgeschlossen. Es er nämlich nicht. Dazu muss ich mir nur einen normalen Arbeitstag von mir vorstellen. Allein die Zugfahrt reicht schon aus.

Regeln in der Schule

TBIT / Pixabay

Jeder was er verdient

Gestern Abend auf der Rückfahrt zum Beispiel. Ein Anzugschnösel kommt ins Zugabteil und macht sich über zwei Sitze breit, bevor er laut anfängt zu telefonieren. Für solche Fälle habe ich immer Ohropax dabei. Er sitzt so, als, hätte er zwischen seinen Beine zwei große Kartoffelsäcke. Meiner Meinung nach bekommt jeder immer das, was er verdient. Auch wenn es manchmal eine ganze Zeit dauert. In Düsseldorf stiegt dann eine etwas fülligere Damen dazu, die den Platz neben dem Anzugschnösel beansprucht. Nicht begeistert räumte er seinen Tasche dann vom Sitz und stellte sie in den Gang. So das niemand mehr vorbei kam. Mitreisende bewegt sich vorsichtig über die Tasche hinweg, obwohl einige davon ihre schwere Koffer anheben mussten. Dann kam die Schaffnerin, eine gestanden Münchenerin. Einfach nur herrlich. Ihre Ansprache war sehr sachlich, wirkte aber durch den Dialekt so, dass es die Situation entschärfte. Der Anzugschnösel verstaute seine Tasche.
Ob in diesem Fall tatsächlich von Erziehung gesprochen werden kann, wage ich allerdings zu bezweifeln. Der Anzugschnösel fühlte sich garantiert ungerecht behandelt. Vermutlich auch deshalb, weil er sich bereits über Regeln in der Schule hinwegsetzt hat — wäre jetzt eine mögliche These. Alle Menschen sind gleich, aber manche eben gleicher. Für sie gelten Regeln nicht, da man sie frühzeitig verhätschelt hat.

Bedeutung von Regeln in der Schule

Beim Artikel in der ZEIT stand eine Frage am Anfang: „Demotivieren Regeln die Grundschüler“. Es ging um die Frage einer Leserin(?), die unter anderem schrieb, dass die Regeln in der Grundschule dazu führen würde, dass ihr Kind zunehmen an Motivation verlöre. Regeln, die ihrer Meinung nach die Grundrechte ihres Kindes untergraben würden. Ganz schlimm ist es wohl, dass ihr Kind erst dann spielen dürfe, wenn es eine Aufgabe zu Ende erledigt hat. Mein Gott, wie schlimm! Eltern, die sich beschweren, dass man ihren Kindern Einschränkungen auferlegt. Dabei ist genau das notwendig.
Kinder müssen Grenzen aufgezeigt bekommen. Warum? Weil unsere Gesellschaft darauf angewiesen ist, dass wir die Spielregeln einhalten. Regeln in der Schule sind nur ein Ausschnitt davon. Wenn sich Eltern darüber beschweren, dann ist meiner Meinung nach bereits eine Menge vorher schief gelaufen. Die Kinder haben nämlich vorher anscheinend keine Grenzen gesetzt bekommen. Ausbaden darf es das Umfeld und in der Schule das Lehrpersonal. Darunter leidet letztendlich das Klassenklima und der Unterricht. Soziales Miteinander bedarf Regeln — der Michael Felten stellt das in seinem Artikel ziemlich gut da. Sehr gut gefällt mir auch sein Fazit:

Nur unter Anforderungen entsteht Ausdauer, nur mit Einschränkungen gewinnt ein Kind Belastbarkeit, nur im Akzeptieren und Bewältigen von Widrigkeiten entsteht die so kostbare Frustationstoleranz.
Quelle: Michael Felten, Demotivieren Regeln die Grundschüler?

Was passiert, wenn die Frustationstoleranz fehlt, sehe ich häufiger als mir lieb ist. Da wird Spielzeug durch die Gegend geworfen, am liebsten in Richtung des Erziehungsberechtigten, weil man mit etwas nicht einverstanden ist.

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