Etwas aus dem Blick verloren hatte ich, dass ich noch eine Rezension zum Buch Die Stadt von Andreas Brandhorst schreiben wollte. Gelesen hatte ich das wieder mal in kurzer Zeit im Rahmen des Moselurlaubs.
Wiederholungstäter
Das ich die Rezension etwas aus dem Blick verloren habe, stimmt eigentlich nicht so ganz. Eher habe ich mich darum gedrückt. Nicht weil das Buch schlecht wäre, im Gegenteil, sondern weil ich korrekterweise vorher über ein anderes von mir gelesenen Buch, auch eins von Brandhorst, hätte schreiben müssen. Für mich war Äon eher eine Enttäuschung im Vergleich zu den Romanen, die ich von Brandhorst vorher gelesen hatte. Kein Science Fiction, sondern eine Art Mystery Thriller. Ein Versuch, in die Fußstapfen von Dan Brown (Da Vinci Code, Inferno) zu treten. Persönlich finde ich die Bücher von Brown schon schlecht, da kann eine Kopie eher nicht besser werden.
Über Äon möchte ich auch nicht weiter Worte verlieren, man kann sich darüber an anderer Stelle, wie etwa bei der Phantastik-Couch informieren. Ich für meinen Teil habe mittlerweile beschlossen, das Buch einfach unter den Tisch fallen zu lassen. Man muss es weder kennen noch gelesen haben.
Die Stadt angerissen
Die Handlung des Romans lässt sich schwer zusammen fassen, ohne dass man etwas zu viel verrät. Daher muss an dieser Stelle der Klappentext ausreichen:
Nach einem Unfall ist es für Benjamin Harthman, eines der Opfer, schon zu spät: Er ist tot. Doch dann wacht Harthman wieder auf, mitten in einer seltsamen Stadt, einer Stadt voller verstorbener Menschen. Ist es das Paradies oder gar die Hölle? Benjamin Harthman macht sich auf die gefahrvolle Suche nach dem Geheimnis dieses seltsamen Ortes.
Quelle: Verlagsgruppe Random House
Als Leser bekommt man die letzten Momente im Leben von Harthman mit. Ein Autounfall, seine Frau ist offensichtlich tot, bei ihm wurden die Beine abgequetscht. Konsequent erzählt Brandhorst auch weiter aus seiner Perspektive. Diese Beschränkung ist für die Handlung enorm wichtig, denn so weiss man als Leser genau nur das, was Harthman Stück für Stück über die Stadt und ihre merkwürdigen Bewohner erfährt.
Tod und Vergessen
Harthman weigert sich, sich für eine der Fraktionen in der Stadt zu entschieden. Grund dafür ist seine Unruhe und das Verlangen, dem Geheimnis der Stadt auf den Grund zu gehen. Vor allem aber, aus ihr zu entfliehen. Und das, obwohl ein magischer Supermarkt alles nur erdenkliche kostenlos zur Verfügung stellt — solange man ihn nicht bewaffnet betritt. In der Stadt, so lernt Harthman recht schnell, kann man nicht sterben. Je nach dem, wo man sich befindet, dauert das erneute Aufwachen länger oder vollzieht sich kürzer. In jedem Fall aber büsst man bei jedem erneuten Tod ein Teil seiner Erinnerungen ein, wie andere Bewohner der Stadt behaupten.
Die Gemeinschaft rund um den Supermarkt lebt in der Stadt, aber eben nicht im Paradies. Sie wird bedroht von den „Streunern“, eine Gruppe, die sich nicht den Regeln der Gemeinschaft beugen wollte. Hinzu kommt ein mysteriöser Nebel, der immer wieder wie Ebbe und Flut auftaucht. Mit ihm kommen Monster, welche die Bewohner angreifen. Zusätzlich gibt es auch noch mysteriöse, umherwandernde Schatten, deren Aufmerksamkeit sich auf Harthman zu konzentrieren scheint.
Missverständnis Jenseits
Was das Buch nicht bietet, ist eine tiefgründige Beschäftigung mit dem Jenseits und dem Leben nach dem Tod. Andreas Brandhorst will mit Die Stadt unterhalten — was ihm vorzüglich gelingt. Esoterisch angehaucht ist der Roman auf keinen Fall. Ob der Kern der Geschichte tatsächlich dafür taugt, über Schuld und Sühne nachzudenken, sollte jeder für sich selber entschieden. Dem Sog der Geschichte kann man sich nach den ersten Seiten in jedem Fall nicht entziehen. Die Stadt erscheint einem sehr plastisch vor Augen und die Figur Benjamin Harthman schließt näher zu einem selber auf, als manchem von uns lieb sein dürfte. Man ist bei ihr, auch wenn man mit manchen von dem, was Harthman tut oder getan hat, nicht einverstanden sein wird. Nicht einverstanden sein wird auch so manche Leserin oder Leser mit dem Ende des Romans. Darüber ließe sich trefflich streiten. Ein schlechtes Buch wird durch das Ende allerdings nicht.