Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Die Frage, ob man die Arbeitszeit auch für private Dinge nutzen darf, beschäftigt einmal mehr deutsche Gerichte. Dabei könnte die Antwort so einfach sein.

Totale Überwachung

Ob die Zeit der Stechuhren wirklich vorbei ist, daran habe ich persönlich so meine Zweifel. Die mechanische Form der Zeiterfassung mag sicher aus der Mode gekommen sein, aber andere Formen der Kontrolle sind an ihre Stelle gerückt. In den USA gibt es sogar Firmen, die ihren Mitarbeitern Mikrochips unter die Haut implantierten lassen. Das Arbeit das Gegenteil von Freiheit sein kann, darüber habe ich mich bereits gestern ausgelassen. Als ob ich geahnt hätte, worüber die Süddeutsche Zeitung heute berichten würde.
Ein Arbeitgeber in Castrop-Rauxel installierte auf dem Computer eines seiner Mitarbeiter einen so genannten Keylogger. Ein Programm, welches unauffällig im Hintergrund jede Tastatureingabe aufzeichnet. Damit wollte der Arbeitgeber Beweise dafür sammeln, dass sein Mitarbeiter innerhalb der Arbeitszeit diese für private Zwecke nutzt.
Tatsächlich konnte er genügend Information sammeln und sprach eine fristlose Kündigung aus. Der Arbeitnehmer klagte dagegen und bekam recht. Die heimliche Überwachung sei ein Scherer Verstoß gegen den Datenschutz. Bevor man sich jetzt Gegenargumente überlegte, kurz ein Hinweis, über welchen Dimensionen des „Missbrauchs“ es im vorliegen Fall ging. Gerade einmal 10 Minuten Arbeitszeit wurde dem Unternehmen täglich „gestohlen“.

Arbeitszeit

xaviandrew / Pixabay

Kreativität braucht Luft

Zehn Minuten. Vermutlich kommt jeder Raucher auf mehr Auszeit, wenn er mal eben nach draußen geht um seiner Sucht nachzugehen. Ebenfalls mehr Zeit geht dem Unternehmen dadurch verloren, dass Mitarbeiter einfach nur Löcher in die Wand starren, weil es gerade einen Leerlauf gibt. Oder weil sie ein Kreativitätstief haben. Das große Geheimnis: Kreativität funktioniert selten auf Knopfdruck. Sie benötigt Luft. Gute Ideen ergeben sich während der Arbeitszeit. Und manchmal auch jenseits davon. Nach wie vor bin ich überzeugt von einer Work-Life-Balance. Für mich sind es zwei Waagschalen, die ausglichen sein müssen. Nur zufrieden Mitarbeiter können einen wertvollen Beitrag zum Unternehmen leisten. Für mich als überzeugter Anhänger von Home Office als Arbeitsplatz ist zudem das Gegenseitige Vertrauen besonders wichtig. Arbeitszeit ist Vertrauenszeit, Vertrauenssache. Am Ende sollte der erfolgreiche Abschluss eines Projektes stehen und ausgeglichenes Zeitkonto.

Arbeitszeit fair nutzen

Ob ich in der Arbeitszeit etwas privates mache oder umgekehrt, ist eine Frage der gegenseitigen Fairness. Arbeitgeber sollten auch begreifen, welche Konsequenzen ein striktes Verbot der privaten Nutzung von Arbeitsplatzrechner hat. Nehmen wir an, der Arbeitnehmer will sich eine neue Digitalkamera kaufen. Eine spontane Entscheidung. Im Büro ist die private Nutzung des Internets untersagt. Den Kauf kann er nur nach Feierabend tätigen. Statt das er in wenigen Minuten den Kauf während er Arbeitszeit abschließt, beschäftigt sich sein Kopf die ganze Zeit mit dem Kauf statt mit dem, worauf er sich während seiner Arbeitszeit eigentlich konzentrieren sollte. Die tatsächliche Produktivität sinkt. Das strikte Verbot schadet der Firma mehr, als das es ihr hilft.
Natürlich bedeutet die Möglichkeit der privaten Nutzung immer auch einen fairen Umgang mit dieser Freiheit. Wenn es dringende Projekte gibt, haben diese Vorrang.

Aufgabe von Führung

Ziemlich interessant fand ich in der heutigen SZ den zweiten Artikel zum Thema. Ein Interview mit dem Chef von „Nebenan.de“. Christian Vollmann hält die totale Überwachung von Mitarbeitern für gruselig. Seine Sichtweise ist auch am Ergebnis orientiert, weniger am Weg dorthin. Wo, wo und wie seine Mitarbeiter ihre Arbeit erledigen, ist zweitrangig. Was zu motivierten Mitarbeitern führt. Spannend finde ich auch sein Konzept von Mitarbeiterführung:

Führung bedeutet hier, dass man sicherstellt, dass alle Mitarbeiter wissen, für welches Ziel ein Unternehmen arbeitet und transparent ist, wie ihre Arbeit zum Erfolg beiträgt.
Ein wenig erinnert mich das an Boris Grundel und einen seiner Kernsätze, „Führen heisst vorangehen“. Wobei mir die Aussage von Christian Vollmann moderner und sympathischer erscheint.

2 Kommentare

  1. Was dabei immer total ausgeblendet wird, ist, dass viele Mitarbeiter, die im Büro arbeiten, entweder unbezahlte Überstunden im Büro machen oder aber in ihrer Freizeit auch weiter an Projekten arbeiten. Alles Zeiten, die eigentlich zur Arbeitszeit gehören. Wenn hier der Arbeitnehmer dann darauf besteht, das Arbeitszeit eben Arbeitszeit ist, hätte das für mich persönlich wohl die Konsequenz, dass ich a. nur noch Dienst nach Vorschrift schieben würde, b. ich keine Überstunden mehr leisten würde und c. ich in der Freizeit nicht mehr an Projekten arbeiten würde, auch wenn mir dort die besten Ideen kommen. Inwieweit das für das Unternehmen förderlich wäre, wenn das jeder Arbeitnehmer macht, möchte ich mir gar nicht vorstellen …

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