Einer gefühlten Wahrheit zu folge wird pendeln anstrengender, je älter man wird. Mit über 45 Jahren macht sich bei mir eine spürbare Müdigkeit breit.
Pendlerbiographie
Persönlich angefangen zu pendeln habe ich bereits im Studium. Aber Moment, was bedeutet eigentlich pendeln? Es gibt bei Wikipedia eine schöne und treffende Definition dessen, was ein Pendler ist:
Als Pendler werden Personen bezeichnet, die einen periodisch wiederkehrenden Wechsel zwischen Wohnort und Arbeits- bzw. Ausbildungsort vornehmen und dabei die Grenze ihrer Wohngemeinde überschreiten
Auch körperlich und geistig bedeutet pendeln tatsächlich eine Grenzüberschreitung. Zurück aber zu meiner Pendlerbiographie. Im Studium bin ich zwei Jahrevon Bielefeld nach Gütersloh gefahren, um dort neben dem Studium zu arbeiten. Ein Studium finanziert sich nicht von selber, insbesondere dann, wenn plötzlich das BAföG nicht nur weg fällt, sondern zurück gezahlt werden muss.
Jahre in Dortmund
Nach Gütersloh folgte bei mir Dortmund, die Stelle bei einem Tochterunternehmen der RAG (jetzt Evonik genannt). Fünf Jahre habe ich dort gearbeitet, fünf Jahre bin ich werktäglich nach Dortmund gependelt. Etwa 150 Kilometer waren das, alle Verkehrsmittel zusammen gezählt. Einfach Fahrt, wohlgemerkt.
Auf Dortmund folgte eine zweijährige Interimsphase. Seit bald 11 Jahren arbeite ich in Essen bei einer Internetagentur. Zuerst bin ich von Bielefeld nach Essen gependelt, jetzt pendle ich von Köln nach Essen. Mittlerweile zum Glück nur noch an drei Tagen die Woche. Und das ist eigentlich schon zu viel. Das Büro liegt mittlerweile nämlich nicht mehr in Essen, sondern in Mühlheim an der Ruhr. Pro Tag sind das mindestens vier Stunden, die ich unterwegs bin. Mit anderen Worten: pendeln bedeutet einen Verlust von vier Stunden Lebenszeit pro Tag.
Genutzte oder ungenutzte Zeit
Man kann sich das immer schön reden, das Unterwegs sein. Tatsächlich trifft das zu, was zur Artikelüberschrift des Interviews mit Mobilitätsforscher Christian Pfaff im Kölner Stadt-Anzeiger wurde: „Pendeln bedeutet Kontrollverlust“. Natürlich versuche ich die Zeit in der Bahn für mich zu nutzen. Ein Roman lesen oder die Zeitung. Aber erstens fahre ich nicht nur Bahn, sondern bin auch zu Fuß unterwegs. Zudem warte ich dann noch auf diversen Bahnsteigen. Und zweitens ist es beim pendeln mit öffentlichen Verkehrsmitteln so, dass man auf sehr engem Raum mit anderen, fremden Menschen unterwegs ist. Das kann sehr unangenehmen sein, wie ich mal wieder am vergangene Donnerstag auf der Rückfahrt erfahren musste. Ein Würstchen mit Anzug und Notebook setzte sich ab Düsseldorf neben mich und meinte, sich mit seinen Ellbogen breit zu machen. Das hörte dann erst nach der Fahrkartenkontrolle auf, als ich meine bahncard 100 zückte und das Würstchen nur einen normalen Fahrschein hatte. Deswegen im Übrigen auch Würstchen und nicht etwas Mann Anfang dreißig.
Pendeln oder Homeoffice
Zu pendeln bedeutet Streß. Meiner Meinung ist das Streß, der sich lebensverkürzend auswirkt. Für mich ein weiterer Grund, warum ich die Arbeit im Home Office schätze. An Tagen wir heute spare ich mir die vier Stunden, die ich sonst unterwegs bin, habe bessere Laune und bin erheblich produktiver. Soziale Interaktion funktioniert auch wunderbar über Telefon und Messenger. Zumindest reicht mir diese Art der Interaktion aus. Ging es nach mir, würde ich lediglich einmal die Woche nach Mülheim fahren — oder sogar noch weniger. Am Wochenende fragte Stefan Schnoor bei Facebook nach Erfahrungen mit dem Home Office. Meine sind sehr gut, auch die von anderen. Es kommt hierbei auch drauf an, wie viel Selbstdisziplin man aufbringt. Bei mir ist diese sehr ausgeprägt, was eine Reihe von Ursachen hat. Produktiver bin ich zu Hause auch deshalb, weil niemand die „Musik“ in meinem Kopf stört.