Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Als ich noch bei den Jusos in Wesel war, demonstrierten wir in der Fußgängerzone gegen den „Schlado“, den scheiß langen Donnerstag. Der lange Donnerstag gehörte zu den ersten Schritten zur Ausweitung der Ladenöffnungszeiten.

Ausweitung der Einkaufszone

Mittlerweile kann ich nur noch milde lächeln, wenn ich auf den sogenannten Dienstleistungsdonnerstag zurückblicke. Die gefeierte große Innovation wurde zum Türöffner — sogar wortwörtlich. Hier in Köln hat zum Beispiel ein Supermarkt an der Neusser Straße montags bis freitags von zwischen 7 und 0 Uhr geöffnet. Samstags dann „nur“ bis 22 Uhr. Und wir haben uns damals über einen eine Verlängerung der Ladenöffnungszeiten bis 20:30 Uhr pikiert.
In den darauf folgenden Jahren wurden die Ladenöffnungszeiten immer stärker ausgeweitet. Das läuft unter dem Stichwort der „Liberalisierung“. Die Idee dahinter: der Staat solle sich aus solchen Angelegenheiten heraushalten und die Angelegenheit denen überlassen, die etwas davon verstehen. Also denjenigen, die glauben mit einer rund um die Uhr Mentalität mehr Umsatz zu generieren. Wie es den Angestellten damit geht, steht auf einem anderen Blatt.

Ladenöffnungszeiten

Quelle: unsplash.com

 

Maximalforderungen und andere Späße

Das Thema Ladenöffnungszeiten eignet sich hervorragend, um die Gemüter zu erregen — auf beiden Seiten. Ob man für oder gegen eine Ausweitung ist, relativ schnell heißt sich bei einer Diskussion die Stimmung auf. So war das damals, als wir mit Schildern in der Fußgängerzone von Wesel demonstrierten und Flugblätter verteilten. Und so war es auch vor zwei Monaten, als es um die Verkaufsoffene Sonntage in Köln ging.
Die wurden bekanntlich nicht nur in der Domstadt stark zusammengestrichen, sondern auch anderswo. Man kann darin einen Akt der Notwehr sehen, einen Versuch, zumindest einen Tag in der Woche zu retten. Oder aber eine unnötige Gängelung, insbesondere durch die Kirchen. Denn letztlich wollen die doch nur am Sonntag ihr eigenes Produkt unter die Leute bringen. Das mit der Streichung kein Schlusspunkt gesetzt wurde, war zu erwarten. Verwunderlich ist daher die Initiative „Selbstbestimmter Sonntag“ nicht.

Selbstbestimmter Sonntag

Konzerne wir Karstadt und Kaufhof sind in einen ungewöhnlichen Schulterschluss mit einer Maximalforderung an die Öffentlichkeit gegangen. Sie forderten die völlige Freigabe des Sonntags für je Art von Verkaufstätigkeit. Damit würde, so die These, die anhaltende Diskriminierung des innerstädtischen Einzelhandels beendet. Schließlich stehe man in permanenter Konkurrenz zum Onlinehandel, der keine Ladenöffnungszeiten. Ein Wettbewerb, bei dem es nur einen Gewinner geben können und der stehe durch den erheblichen Vorteil bereits fest.
Ganz so einfach ist das natürlich nicht. Dazu aber später mehr.

SPD und die Gretchenfrage

Für die SPD ist das Thema Ladenöffnungszeiten auch eine Gretchenfrage. Einerseits will man es sich nicht mit den Gewerkschaften verscherzen. Andererseits aber auch nicht die Unternehme verprellen. Einfach ist es hier definitiv, eine Position zu finden. Entsprechend verfällt man in alte sozialdemokratische Verhaltensmuster — den Eiertanz. Hoch her geht es (mal wieder) in der Facebook Gruppe mit kontroverse Diskussion, meist aber über der Gürtellinie. „Samstags gehört Vati mir“ war mal ein Spruch der Gewerkschaften, bevor die Begehrlichkeiten Richtung Sonntag gingen. Allerdings auch bevor ernsthaft die Rolle der Frau in der Familie gesprochen wurde. Kurzum, eigentlich ist mindestens der Sonntag ein Tag der Familie. Nicht ab mittlere Einkommen aufwärts, sondern es sollte auch für soziökonmische schwächer gestellte Familien ein freie Tag sein.

Ladenöffnungszeiten belasten Familien

Letztendlich belasten längere Ladenöffnungszeiten und verkaufsoffene Sonntag die Familien. Die Familien, wo Mama oder Papa im Einzelhandel arbeitet. Da nützt auch kein freier Tag unter der Woche, wenn die Kinder in der Schule sind.
Es geht nicht darum vermeintlichen Stress beim Einkaufen zu reduzieren. Etwa durch weniger Parkplatzprobleme oder kürzere Schlangen an den Kassen. Im Übrigen sind diese gerade an verkaufsoffenen Sonntagen besonders lang.
Das längere Ladenöffnungszeiten zu einer Umsatzsteigerung führen, darf auch bezweifelt werden. Die Bürgerinnen und Bürger können jeden Euro nur einmal ausgeben.

Ungerechtigkeiten und Intransparenz

Nimmt man mal eine völlige Freigabe als gegeben, dann würde sich ein sehr deutliches Bild zeigen. Wenn jemand davon profitiert, sind es weniger die selbständigen Einzelhändler und kleinen Läden, sondern die großen Ketten. An ein paar Argumente für die Freigabe ist trotzdem etwas dran. Tankstellen, Burger-Bräter und auch die Geschäfte in Bahnhöfen und Flughäfen haben sonntags geöffnet. Es gibt eine unüberschaubare Reihe von Ausnahme. Gerecht ist das nicht, auch nicht nachvollziehbar. Daraus sollten jedoch nicht die falschen Schlüsse gezogen werden. Eine Vereinheitlichung ist tatsächlich notwendig. Die bedarf dann Augenmaß. Am besten bringt man Vertreter der unterschiedlichen Interessensgruppen zusammen und lässt sie eine Lösung finden und darüber entscheiden. Streichung aller verkaufsoffenen Sonntage ist sicherlich keine gute Idee. Sonderveranstaltungen zur Legitimierung am laufenden Band ebenfalls nicht. Niemand will totalen Kommerz oder tote Innenstädte.

Konkurrenz Onlinehandel

Ladenöffnungszeiten für den Onlinehandel einzuführen, ist selbstverständlich eine Schnapsidee. In Bezug auf den Onlinehandel muss man sich einfach die Gegebenheiten ansehen. Während ich persönlich den Einzelhandel nicht im Detail kenne, kann aus beruflicher Sicht wohl aber einiges zum Thema Onlinehandel sagen. Vorstellung und Realität klaffen nämlich auseinander. Wenn Karstadt und Kaufhof jammern, sollte man erstmal klarstellen, dass beide Konzerne auch über Onlineshops verfügen. Sie haben also hier schon mal Waffengleichheit hergestellt.
Meiner Meinung nach wird auch nicht über „den Onlinehandel“ gejammert, sondern über einen ganz bestimmten Onlinehändler. Amazon ist direkter Konkurrent fast jedes Einzelhändlers.
Mittelständische Onlineshops sind definitiv keine Bedrohung für den Einzelhandel. Das man dort rund um die Uhr bestellen kann, trifft zu. Konnte man früher mit Katalog und einer postalischen Bestellung auch schon. Nichts anderes ist ein Onlineshop.

Onlineshops und die Wirklichkeit

Niemand kann einem Sonntag einen Onlineshop gehen, sich was aussuchen, bezahlen und die Ware sofort mitnehmen. Sie wird nach Bearbeitung der Bestellung erst geliefert. Das kann dann ein paar Tage dauern. Nur sehr ambitionierte Shopbetreiber bearbeiten die Bestellung auch an einem Sonntag. Dabei sollte man sich immer klar machen, dass Bestellbestätigungen von der Shopsoftware automatisch verschickt werden. Sonntags liefern die Paketdienste nicht aus und so was wie Amazon Instant wurde noch nicht erfunden.
Wer online einkauft, hat ein völlig anderes Einkaufserlebnis. Dem Kaufakt haftet nichts sinnliches an. Genau da aber wäre für den Einzelhandel die Chance, sich hervorzutun. Einkaufserlebnisse von der Stange sind Geschichte. Die Kunden suchen das Ungewöhnliche, Sinnliche und Haptische. Wer als Einzelhändler unbedingt eine Bestellmöglichkeit rund um die Uhr haben will, sollte einen Briefkasten für Kunden sichtbar draußen vor dem am Sonntag verschlossen Eingang hängen. Onlinehandel bedeutet nämlich eigentlich bestellen, nicht kaufen und sofort mitnehmen.

4 Kommentare

  1. Nun, ich bin kein Verfechter des Ladenöffnungszeitengesetzes. Es sind ja nicht nur die Tankstellen, Burgerläden oder Einzelhändler im Bahnhof, es sind ja auch die Mitarbeiter in Cafes, in Kinos, in Restaurants, die Sonntags arbeiten müssen. Es sind da auch die Taxi,- Bus,- Zugfahrer, die Ärzte, die Krankenschwestern, das Pflegepersonal, die Piloten, die Schichtarbeiter in bestimmten Unternehmen. Es sind die Reinigungskräfte, das Servicepersonal in Flughäfen, Bahnhöfen, in Krankenhäusern, bei Telekominikationsunternehmen und und und – sie alle müssen auch Sonntags arbeiten. Ich könnte noch sehr viele mehr aufzählen, aber ich glaube, es wird jetzt schon klar, worauf ich hinaus möchte. Nicht nur die Menschen, die im Einzelhandel arbeiten, haben Familie. Auch all die anderen, die ich oben aufgezählt habe, haben diese, nur gilt für diese Gruppen das Ladenöffnungszeitengesetz gar nicht, sie können und müssen also auch am Sonntag arbeiten.

    Ich selbst bin deswegen eher dafür, dass die Fünf-Tage-Woche tatsächlich strickt eingehalten werden muss und das die Arbeitnehmer bei der Planung der Schichtpläne ein ordentliches Mitspracherecht haben, meinetwegen auch mit einer Garantie einer bestimmten Anzahl von freien Samstagen und Sonntagen. Wenn die Einzelhändler dann nämlich mehr Personal einstellen müssen, um länger Öffnungszeiten zu realisieren, wird sich ganz schnell zeigen, dass längere Ladenöffnungszeiten keine größeren Umsätze und somit auch keine höheren Gewinne bedeuten.

    1. Ich fürchte, hier liegen unsere Meinungen sehr deutlich auseinander. Nur weil bereits bestimmte Berufsgruppen arbeiten (was bedauerlich ist), muss man das nicht ausweiten. Eher sollte man schauen, was davon zurückgenommen werden kann und nicht unbedingt an Sonn- und Feiertagen arbeiten muss. Meine Meinung, jedenfalls. Ich bin auch gegen die völlig Freigabe, da ich ihr eine destruktive gesellschaftliche Komponente unterstelle. Was nützen Fünf-Tage-Wochen, wenn man die freien Tagen nicht gemeinsam miteinander verbinden kann, da sie auf unterschiedliche Tage fallen?

  2. Gut, dann gehen wir davon aus, dass wirklich nur die notwendigste Arbeit am Sonntag gemacht wird. Das wären Krankenhäuser, Pflegepersonal, Rettungspersonal, Feuerwehr und Polizei. Das wären aber nicht die Mitarbeiter in Cafes, Eisdielen, Restaurants, Freizeitparks, Tierparks oder Theatern. Ebenso wären Kinos und andere Freizeitangebote geschlossen, denn das sind alles Arbeiten, die keineswegs am Sonntag notwendig sind. Selbst Tankstellen könnten am Sonntag geschlossen haben, genauso wie Bäcker und und und. Was nutzt einem ein freier Sonntag mit der Familie, wenn dann nicht wirklich was gemacht werden kann, weil wirklich alles, was nicht Lebensnotwendig ist, geschlossen ist?

    Ich sprach oben nicht umsonst davon, dass die Mitarbeiter ein ordentliches Mitspracherecht bei der Schichtplanung haben muss, denn genau das ist das Instrument, um sich eben doch gemeinsame Tage freizuhalten. Auf der anderen Seite gibt es auch viele Singles und viele junge Menschen, die lieber am Sonntag arbeiten und dafür in der Woche einen Tag frei haben. Du argumentierst hier ja mit der Familie, bzw. Partnerschaft, aber das ist ja nicht der einzige Lebensentwurf, der in unserer heutigen Gesellschaft möglich ist. Und für Singles zählen da andere Argumente.

    Ich sehe nicht, dass der Sonntag ein schützenswerter Tag wäre. Dann fände ich es schon wichtiger, dass die Arbeitsplanung für den Arbeitnehmer flexibler wird und er hier ein viel größeres Mitspracherecht bekommt.

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