Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Die Landtagswahl in NRW wird häufiger als „kleine Bundestagswahl“ bezeichnet. Hinterher vergisst man das ganz gerne, je nach dem, ob man verloren oder gewonnen hat. Was die SPD in Nordrhein-Westfalen angeht, ist das gestrige Ergebnis ziemlich deutlich.

Drei in einer Reihe

Für die SPD gesamt ist es die dritte verloren Landtagswahl in Folge. Erst im Saarland, dann vergangen Woche in Schleswig-Holstein und jetzt auch noch in NRW. Im Hinblick auf den Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, Martin Schulz, kann man auch gerne das strapazierte Bild vom Schulz-Zug verwenden. Der steht nämlich jetzt definitiv auf dem Abstellgleis. Mich persönlich würde es enorm wundern, wenn die SPD mit Schulz an der Spitze die Bundestagswahl für sich entscheidet. Wobei man der Fairness halber sagen muss, dass das nicht in der Verantwortung einer Person liegt, sondern eher das Ergebnis eines Gesamtzustandes ist.
Die SPD verliert, weil sie die Menschen im Land nicht mehr erreicht, nicht mehr überzeugt. Auch nicht Wählerinnen und Wähler, die vielleicht SPD ansonsten wählen würden. Inn der SPD haben sich dermaßen viele Probleme angehäuft. Die Landtagswahl in NRW mit dem Verlust der Regierungsverantwortung sind hie lediglich ein Symptom, nicht die Ursache für die sehr wahrscheinliche Niederlage bei der Bundestagswahl im Herbst.

Landtagswahl in NRW

marsblac / Pixabay

Ergebnisse der Landtagswahl in NRW

Mit 65,2 % lag die Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl in NRW gestern höher als bei denen 2012. Für fünf Jahren waren es lediglich 59,6 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, die ihre Stimme abgaben. Bei den gültigen abgegebenen Zweitstimmen sieht das vorläufige amtliche Ergebnis wie folgt aus:

  • SPD 31,2% (-7,9)
  • CDU 33,0% (+6,6)
  • Grüne 6,4% (-5,0)
  • FDP 12,6% (+4,0)
  • Piraten 1,0% (-6,9)
  • Die Linke 4,9% (+2,4)
  • AfD 7,4% (+7,4)

Wie ich schon länger vermutet habe, sind die Piraten komplett aus dem Landtag geflogen. Als politische Alternative haben sie sich damit selber erledigt. Keine Alternative ist dagegen die AfD, die aber wohl gleich aus dem Stand heraus in NRW über die Fünf-Prozent-Hürde kam. Ein Ergebnis, was mir persönlich gar nicht schmeckt.
Wenn das Ergebnis sich so bestätigt, ist Die Linke knapp an der Hürde gescheitert. Hier hatte ich im Vorfeld eine Einzug in den Landtag vermutet.

Deutlich verbessern konnte sich die FDP, was auch eine Regierungsbeteilung möglich erscheinen lässt.
Deutlich abgestraft wurden SPD und Grüne, die zusammen fast 13 Prozent Stimmen verloren haben.

Suche nach Ursachen

Das es bei der Landtagswahl in NRW zu einer Abwahl der aus SPD und Grünen gebildeten Landesregierung kam, kann man schade finden. Man könnte auch die Ursachen dafür auf die Bundespolitik und den dortigen Zustand der SPD (und Grünen) schieben. Mit Sicherheit gibt es auch spürbare bundespolitische Einflüsse, die sich gestern zeigten.
Allerdings ist die Wahlniederlage auch hausgemacht. In zwei Bereichen wird das besonders deutlich. Zum einen ist es die als extrem miserabel empfunden Schulpolitik der letzten Jahre. Wir wurden Schulen regelrecht vor die Wand gefahren und Lehrer hoffnungslos überfordert. Als heilige Kuh wurde die Inklusive durchs Land getrieben und mit brachialer Gewalt umgesetzt. Lehrer ohne dafür notwendige Qualifikationen wurden ein deutliches Mehr an Aufgaben zugemutet. Aufgaben, die eigentlich so nur von zwei Kräften in einer Klasse zu stemmen gewesen wären. Sonderpädogische Stellen wurde gestrichen oder nicht an Regelschulen neu verortet.

Schulpolitik im Argen

Es gibt hier in Köln Gymnasien, bei denen in Klassen mit 30 Kinder 4 davon erhöhte Aufmerksamkeit erfordern — um es mal sehr vorsichtig auszudrücken. Immer wieder gerne vergessen wird nämlich, dass Inklusion nicht nur die körperlich beeinträchtigten Kinder umfasst. Kinder mit gestörtem Sozialverhalten, hoch aggressive Kinder — auch die sind derzeit in den normalen Unterricht nach Willen von Rot-grün zu inkludieren. Hinzu kommen, unabhängig von deren Gymnasialfähigkeit, Kinder aus Flüchtlingsfamilien, die zum Teil über geringe bis gar keine Deutschkenntnisse verfügen. Durch die bestehenden Schulpflicht müssen sie beschult werden — egal wo.
Zusätzlich besteht nach wie vor G8, das heisst, die vormals neunjährige Schulzeit verkürzt auch acht Jahre.
Allein diese Faktoren zusammen führen zu einer deutlichen Verschlechterung dessen, was Schule leisten könnte und sollte.

Nebenschauplatz Sicherheitspolitik

Möglicherweise in seinen Auswirkungen auf die Ergebnisse der Landtagswahl in NRW nur ein Nebenschauplatz ist die Sicherheitspolitik in NRW. Das Debakel in Silvesternacht 2015 hat auch NRW-Innenminister Ralf Jäger mit zu verantworten. Gleiches gilt für die als zum Teil sehr scharfen Gegenmaßnahmen im Folgejahr. Angekommen in der Bevölkerung ist möglicherweise: die Polizei, die Landesregierung ist der Lage überfordert. Das es dann auch noch Querschüsse von den Grünen zum Polizeieinsatz in der Silvesternacht 2016 gab, hinterließ keinen guten Eindruck.
In einem Interview mit WDR 5 hat die stellvertretende Ministerpräsidentin und Ministerin für Schule und Weiterbildung Sylvia Löhrmann (Grüne), bereits Fehler in ihrem Ressort eingeräumt. Immerhin, eine Einsicht.

Blick in die Glaskugel

Nach sieben Jahren endet nicht nur die SPD-Landesregierung erneut, sondern auch die wohl sicher die Karriere von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Damit dürfte sie auch ihre Chancen als Hoffnungsträgerin in der Bundespolitik verspielt haben. Der Tag der Landtagswahl in NRW 2017 — tatsächlich, „Das ist kein guter Tag für die Sozialdemokratie in Nordrhein-Westfalen“, wie Hannelore Kraft gestern Abend bereits verkündete.
In der Süddeutsche Zeitung wurde das was sie den Sieg kostete, gut auf den Punkt gebracht:

Der Punkt, an dem sie das Vertrauen vieler Wähler verlor, hat ein Datum: Es war die Silvesternacht 2015/16, bei der Hunderte Frauen begrapscht und bestohlen wurden.
Quelle: Süddeutsche Zeitung

Für die SPD in Nordrhein-Westfalen stellen sich in den folgenden Tagen zwei Fragen. Wer folgt auf Hannelore Kraft und wie soll man mit dem Wahlergebnis umgehen? Auf die zweite Frage gibt es vor allem eine Warnung: auf gar keinen Fall eine große Koalition mit der CDU anstreben. Das wäre schlimmste und dümmste, was die SPD jetzt in NRW machen könnte. Das Land hätte gute Hand verdient. Ob es die von Armin Laschet (CDU) sein wird, bezweifle ich allerdings.

3 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner