Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Der französische Präsident wurde, soweit bekannt, nicht in Schleswig-Holstein gewählt. Die Abwahl des dortigen Ministerpräsidenten fiel gestern nur zeitgleich zusammen mit der Präsidentschaftswahl in Frankreich.

Kurze Atempause

Betrachtet man beide Wahlen, so werden vermutlich nicht wenige hierzulande mit den Schultern geguckt haben. Was interessiert schon, wer das nördlichste Bundesland regiert wenn es bei der Präsidentschaftswahl um die Zukunft Europas ging? Natürlich ist die Zukunft Europas mit Emmanuel Macron nicht automatisch garantiert. Immerhin aber kann man nach seiner Wahl an eine Zukunft glauben. Bei Marine Le Pen wäre ein großes Stück Hoffnung verloren gegangen. Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl gäbe einen kurzen Anlass, sich zu freuen. Französischen Wein trinken und herüberwinken zu den Nachbarn, die sich mit 66 zu 34 Prozent der Stimmen für Macron entschieden haben.

Präsidentschaftswahl — Brot und Spiele

DESPIERRES / Pixabay

Präsidentschaftswahl als Auftakt

Allzu euphorisch sollte man jedoch nicht sein. Die Präsidentschaftswahl ist das Eine. Im Juni folgen Parlamentswahlen, für die alles wieder offen sein wird. Auch wenn eine satte Mehrheit jetzt für Macron stimmt, der Ausgang der Parlamentswahlen dürfte noch offen sein. Laut Medienberichten ist das Problem von Macron, dass er über keine etablierte Parteistruktur verfügt. Um ihn herum ist ein großes Vakuum, welches mit Personal und Ideen gefüllt werden will. Bis Juni bleibt da nicht mehr viel Zeit.

Koalitionsspiele auf Zeit

Zeit ist auch etwas, was sich die möglichen Koalitionsparteien in Schleswig-Holstein lassen wollen. Zumindest wird erstmal abgewartet, wie am kommenden Sonntag in Nordrhein-Westfalen gewählt wird. Verständlich, denn anders als von den Verlierern behauptet, hat das Wahlergebnis in Schleswig-Holstein ebenso eine Signalwirkung wie das in NRW. Der Schulz-Zug rollt derzeit nur auf Nebenstrecken.
Das Wahlergebnis in Schleswig-Holstein ist auf jeden Fall deutlich:

  • CDU 32,0 % (+1,2)
  • SPD 27,2 % (-3,2)
  • Grüne 12,9 % (-0,3)
  • FDP 11,5 % (+3,3)
  • Piraten 1,2 % (-7,0)
  • AfD 5,9 % (+5,9)

Die Wahlbeteiligung lag bei 64,2 % und damit vier Prozentpunkte höher als 2012. Sehr deutlich zeigt das Ergebnis, dass die Piraten an der Küste gekentert sind. Minus sieben Prozent ist eine sehr deutliche Sprache. Bedauerlich ist das Abschneiden der AfD. Für die FDP scheint es mit einer frischen Brise wieder aufwärts zu gehen, während die Grünen mehr oder weniger gehalten haben.

Die SPD in Schleswig-Holstein

Ob der nun vermutlich ehemalige Ministerpräsident von Schleswig-Holstein Torsten Albig (SPD) einen guten Job gemacht hat, wissen vermutlich nur die Nordlichter. Zumindest ist er überregional nicht unangenehmem aufgefallen wie die letzte SPD-Ministerpräsidentin, quasi seine Vor-Vorgängerin im Amt. Parteien in Schleswig-Holstein, da fallen einem ein ganz Menge Namen ein, die mit unterschiedlichen Ereignissen und Affären verknüpft sind. U-Boote für Südafrika, Barschel — irgendwie immer mittendrin oder doch nur dabei die SPD. Strippenzieher im Vordergrund: Ralf Stegner.
Ein Verlust von rund drei Prozent Stimmen und damit wahrscheinlich auch des Ministeramtes ist für die Genossen in Kiel bitter. Noch bitterer wird es für den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz, wenn sich ein ähnliche Ergebnis in NRW ergeben wird.

Begeisterung aufgebraucht

Bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich wird der Präsident (daher der Name der Wahl) direkt von den Wählerinnen und Wählern gewählt. Die Franzosen haben sich sehr deutlich für einen der Bewerber in der Stichwahl entschieden. Würde in Deutschland die Bundeskanzlerin beziehungsweise der Bundeskanzler ebenfalls direkt gewählt — ich glaube nicht, dass Martin Schulz das Rennen machen würde. Man kann die Wahlergebnisse in Schleswig-Holstein drehen wie man will. Man kann auch bei der so genannten „kleinen Bundestagswahl“ am kommenden Sonntag alles durch die rosarote Brille interpretieren. Fakt ist, Schulz scheint nur seine eigene Anhängerschaft zu begeistern. Sein Problem ist, dass man nicht genau weiss wofür er steht. Im Übrigen zumindest eine Gemeinsamkeit, die er mit Emmanuel Macron teilt.

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