Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Sofern man kein anderes Gesprächsthema findet oder auf etwas in der Regel völlig unverfänglich zurückgreifen möchte, redet man über das Wetter. Das Thema eignet sich, wenn man mit Fremden zusammensteht und auf den Zug wartet. In Kneipen, beim Friseur, bei Krankenhausbesuchen oder auch unter Freunden und Bekannten. Wenn man sich über das Wetter unterhält, surft man an der Gesprächsoberfläche. Es sei denn, man unterhält sich mit einem Meteorologen oder anderem Experten.

Das ideale Gesprächsthema

Es gibt eine Reihe von Gründen, warum das Wetter ein ideales Gesprächsthema ist. Jeder kann mitreden, jeder ist betroffen und keiner kann was dran ändern. Ob einem der erneute Kälteeinbruch gefällt oder nicht, er ist einfach gegeben. Man muss das Wetter ertragen oder sich einen Ort mit anderem Wetter suchen. Was dann aber auch wieder Gesprächsstoff bietet, denn wir alle haben unterschiedliche Vorlieben in Bezug auf Sonneneinstrahlung, Temperatur und Windverhältnisse.
Insofern ist es eigentlich ziemlich gut, dass niemand das Wetter ändern kann. Selbstverständlich gibt es ein Haufen Spinner, die an Verschwörungen und Chemtrails glauben. Mit Wissenschaft hat das jedoch wenig zu tun. Auf einem ganz anderen Blatt stehen dann die tatsächlichen Menschlichen Einflüsse auf das Wetter. Ozonloch und Klimaveränderungen sind Tatsachen, die nur Leute wie etwa ein bekannter Präsidentendarsteller leugnen.

Wetter

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Cyberpunk, Baby!

Neulich, in der digitalen Onleihe meiner Stadtbücherei, sah ich einen Roman von Bruce Sterling. Ein Roman von ihm, den ich noch nicht kannte. Ohne zu zögern lieh ich mir „Schwere Wetter“ aus. Die Inhaltsangabe übersah ich geflissentlich. Etwas ungewöhnlich für mich, ich weiß. Für mich aber ist Bruce Sterling eine Ikone. Oder war es zumindest, zusammen mit William Gibson.
In meiner von und in meiner wilden Phasen war ich ein begeisterte Leser von Science Fiction Roman. Vieles habe ich regelrecht verschlungen — außer dieses Perry Rhodan Zeug, mit dem ich nie etwas anfangen konnte. Anfang der 90er stieß ich auf eine andere Art der Science Fiction. Düsterer, nicht mehr auf den Weltraum fokussiert. Oft drehte es sich um ein Informationsnetz. Ich entdeckte Cyberpunk und war begeistert.

Erwartung an den Autor

Nach wie vor ist „Neuromancer“ von Gibson der Cyberpunk-Roman schlechthin für mich. Auch mit enormen zeitlichen Abstand halte ich ihn immer noch für gelungen. Das war dann auch der Grund, warum mich die Otherland Tetralogie von Tad Williams, auf Deutsch erschien 2005 der erste Band, so in den Bann zog. Jedes der vier Bücher kaufte ich unmittelbar nach dem Erscheinen als Hardcover und verschlang sie.
In der bereits erwähnten wilden Phase las ich auch Romane und Kurzgeschichten von Bruce Sterling, unter anderem auch die von ihm herausgegebene Anthologie „Spiegelschatten“. Was Sterling schrieb, gefiel mir. Entsprechend dachte ich mir wohl, ein Roman, den ich bisher noch nicht kannte, würde mir gefallen.

Ein Roman über das Wetter

Die ePub-Ausgabe von „Schwere Wetter“ stammt aus dem Jahr 2014, was mich erstmal davon ablenkte, aus welchem Jahr eigentlich der Roman stammt. Erstmal erschien er nämlich 1996. Erst dadurch wurde mir bewusst, wie lange ich nichts mehr von Sterling gelesen hatte, obwohl er seit meiner ersten Begegnung mit seinen Werken fleißig weiter veröffentlichte. Vielleicht liegt es daran, so mein Verdacht, dass man sich als Leser verändert. Die Bücher, die man liest hinterlassen Spuren. Zumindest bei mir haben sich auch die Ansprüche verändert.
Kurz gesagt, auf der einen Seite gab es meine Erwartungshaltung und auf der anderen Seite einen Roman über das Wetter. Eine vielversprechende Konstellation, zumindest für den kleinen Kritiker in mir.

Lesevergnügen bleibt auf der Strecke

Um es vorweg zu nehmen, ich habe tapfer bis zum Ende durchgehalten. Durchgehalten, obwohl der Roman von einer nahezu unerträglichen Langeweile geprägt ist. Spannung kam bei mir nicht beim lesen auf. Schlimmer noch, die Figuren waren mir allesamt völlig gleichgültig. Ihr Schicksal berührte mich in keiner Weise.
Was die Thematik angeht, überzeugte diese mich ebenfalls nicht. Selbstverständlich ist die Klimaveränderung auch heute noch ein wichtiges Thema. Aber auch ein viel zu wichtiges Thema, um darüber in einem drittklassigen Roman zu lesen. Tatsächlich Habe ich die Vermutung, dass Sterling seine beste Zeit als Autor bereits hinter sich hat.

Versuch eines Fazits

Manchmal hilft es doch, den Klappentext zu lesen. Denn der klingt bei „Schwere Wetter“ nach genau dem, was einem im Buch selber erwartet:

Treibhausgase und Luftverschmutzung haben die Atmosphäre unseres Planeten ruiniert. Jetzt ist das Wetter unberechenbar geworden, heftige Stürme fegen über das Land und hinterlassen nichts als eine Spur der Verwüstung. Alex Unger, ein junger Mann mit schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen, wird von seiner Schwester Janey aus einer Klinik in Mexico geholt.

Das ist, ganz ehrlich, entsetzlich langweilig. Die „Storm Troopers“, die den Stürmen nachjagen, kann man in ihrer Motivation nicht mal ansatzweise verstehen (böser Autorenfehler). Es mag vielleicht sein, dass Sterling intensiv recherchiert hat für den Roman. Tornados, Hurrikans, Zacken und der mysteriöse F6 bleibt bleiben jedoch ziemlich abstrakt. Gut, man liest über die Auswirkungen, aber ein Aufsatz in „Spektrum der Wissenschaft“ zu dem Thema hat deutlich mehr Charme. Wer sich etwas zeit vertreiben will, sollte besser mit Fremden über das Wetter reden als „Schwere Wetter“ zu lesen.

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