Seit über 26 Jahren gehöre ich zu denjenigen, welche die Autofreiheit von Städten begrüßen würden. Schon in Wesel, in meiner Zeit bei den Jusos, sahen wir darin eine erhebliche Steigerung der Lebensqualität.
Städte vor dem Kollaps
Insbesondere der private Autoverkehr ist für Städte eine deutliche Belastung. Die Emissionen sind dabei nur ein Teil des Problems. Parkplätze beziehungsweise der Mangel an solchen gehört ebenso dazu wie die immer noch bestehenden Dominanz des motorisierten Verkehrs. Aus Fußgänger kann man gerade in Städten wie Köln nur von der Autofreiheit träumen.
Als ich gestern Abend auf einen Artikel bei Zeit online stieß, gab meine Seele einen tiefen Seufzer von sich. Der Titel traf es einfach auf den Punkt. Auch ich empfinde ganz wie im Titel beschrieben Autos als so was von vorgestern. Viel zu lange galt das Diktum einer autogerechten Stadt.
Autofreiheit ist Freiheit
Im Artikel werden die Folgen des enthemmten Autoverkehrs ziemlich deutlich vor Augen geführt. Der öffentliche Raum wird Stück für Stück getötet. Ein Opfer, welches auf dem Altar der individuellen motorisierten Mobilität erbracht wird. Ohne Rücksicht und ohne die dauerhaften Schäden und Folgen im Blick zu haben.
Auf wie wenig Verständnis die Forderung nach mehr Autofreiheit stößt, zeigt eine ganze Reihe der Kommentare zu dem Artikel. Man verschließt sich den eigentlich guten Argumente, weil man sich einschränken müsste. Dabei bedeutet Autofreiheit tatsächlich nicht Einschränkung, sondern Freiheit.
Klammern am Bisherigen
Wie sehr Menschen am bisherigen festhalten wollen, erlebe ich Woche für Woche hier in Köln-Nippes in der autofreien Siedlung. Hier leben Menschen, die sich freiwillig der Autofreiheit „unterworfen“ haben. Leider wohnen hier aber auch andere Menschen, die von den Vorzügen einer ruhigen Umgebung profitieren wollen ohne auf ihren fahrbaren Untersatz zu verzichten. Mit allen erdenklichen Tricks versucht man die bestehende Auflage zu umgehen. Durch Anmeldung des Autos über außerhalb wohnende Familienmitglieder, durch einen „Firmenwagen“ oder aber, in dem man sich dummdreist verhält. So gibt es beispielsweise mindestens einen Bewohner, der sein Motorrad im Fahrradkeller parkt.
Begrenzter Mehrgewinn
Selbst ich als Mensch ohne Auto erkenne gelegentlich den Mehrwert, der sich aus einem fahrbaren Untersatz ergibt. Ein Einkauf bei IKEA wäre um vieles einfach und ja, auch bequemer. Mal eben raus, irgendwo hin in die Eifel ohne stundenlang mit wildfremden Menschen im Zugabteil zu sitzen — eine nicht unsympathische Vorstellung. Die meiste Zeit aber sehe ich keinen Gewinn in einem eigenen Auto. Der die genannten Punkte lasse sich auch mittels Carsharing lösen.
Was bringt es mir persönlich, wenn ich theoretisch alle meine Einkäufe schneller mit dem Auto erledigen könnte, dafür aber erheblich mehr Zeit für die Suche nach einem Parkplatz aufwenden müsste?
Zudem sind die Straße auch hier in Köln so verstopft, dass man nicht mal eben schnell von A nach B fährt. Das man sich über die anderen Autofahrer auch noch aufregt und Autofahren Streß bedeutet, kommt noch dazu.
Erforderliches Umdenken
Nicht nur eine andere Verkehrspolitik ist nötig, sondern ganz dringend auch ein Umdenken in den Köpfen der Menschen. Wie bereits erwähnt, die Kommentare zum Artikel sprechen Bände. Zum Teil sind sie sogar noch spannender zu lesen als der eigentliche Artikel. Der bestätigt nur die eigene Haltung. Auf den Punkt brachte ein Leser die gesamte Diskussion, als er hinsichtlich der deutlichen Tendenz der Meinung schrieb, dass das hier immerhin die Zeit sei und nicht mal die Webseite vom ADAC oder „Auto, Motor & Sport“.
Meiner Meinung nach benötigt es weder ein Elektroauto noch selbstfahrende Autos, um spürbare Fortschritte zu erzielen. Es müssen Anreize geschaffen werden, auf ein eigenes Auto zu verzichten. Dazu gehört neben dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs möglicherweise sogar die Einführung eines kostenlosen Bürgertickets.
Firmen sind oft weiter
Oft hatte ich in der Vergangenheit den Eindruck, Firmen würde bei Innovationen in Richtung Umweltschutz — denn nichts anderes ist auch die Autofreiheit — eher bremsen. Erstaunlicherweise gehören einige jedoch eher zu den Vorreitern. Lieferung per Elektroauto oder über Lastenräder lohnt sich für die Paketdienstleister ganz offensichtlich.
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