Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Niederlande — ein Land hatte die Wahl

Von Wesel, meiner Geburtsstadt, ist es nicht weit bis in die Niederlande. Trotzdem, soweit ich mich erinnere, hat es mich noch nie so besonders interessiert, wie in den Niederlanden gewählt wird. Vor allem, was gewählt wird. Möglicherweise hängt dies auch mit dem Glauben zusammen, die als liberal empfundenen Niederländer würde nicht zum Extremismus neigen. Aber was weiß ich schon über das Land?

Erschreckend wenig, eigentlich. Früher war ich einmal mit meinen Großeltern auf dem Campingplatz Pannenschuur. Dann später mit meinen Eltern und meinem Bruder auf Ameland. Es folgte in der Oberstufenzeit eine legendäre Fahrt auf dem Ijsselmeer und dann auf dem Weg nach Schottland fuhren wir von Wesel nach Rotterdam mit dem Fahrrad durch das Land. Einkaufen, na klar, waren wir auch öfters dort. Aber ansonsten? Wenig, was merkwürdig ist, wenn man wie ich so nah an der Grenze aufwuchs.

Mein Bezug zu den Niederlanden stellt später ein Sänger her. Nein, nicht etwa Rudi Carrell. Herman van Veen. Ihn kannte ich schon durch die Vorliebe meines Vaters für politische Liedermacher. Irgendwann, deutlich nach der Pubertät, fing ich dann auch Feuer und verliebte mich in seine Lieder. Darüber ergab sich dann auch ein Bezug zu den Niederlanden. Bei der Beschäftigung mit der europäischen Geschichte stößt man zudem auch immer wieder auf die Niederlande, die lange Zeit Spielball anderer Staaten gewesen sind.

Niederlande — nicht alles Käse bei der Wahl

Ich schweife ab. Jedenfalls, als gestern Abend die ersten ernstzunehmenden Meldungen zu den Wahlergebnissen in den Niederlanden durch die sozialen Netzwerke gingen, habe ich mich gefreut. Und ja, ich war und bin auch ziemlich erleichtert. Allein die Wahlbeteiligung ist beeindruckend. Fast 82 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab. Von solchen Zuständen können wir hier in Deutschland nur träumen.

Der Rechtspopulist Geert Wilders konnten nicht die erhoffte Mehrheit erzielen und blieb deutlich hinter seinen Erwartungen zurück. Dennoch, seine „Partei für die Freiheit“ landete auf dem zweiten Platz und konnten einen Stimmenzuwachs für sich verbuchen. Dem amtierenden Ministerpräsident Mark Rutte gelang es, trotz leichter Verluste stärkste Partei zu werden. Für die Fortsetzung der bisherigen Regierungskoalition fehlt ihm allerdings jetzt der bisherige Partner, denn die sozialdemokratische PvdA verlor im Vergleich zur letzten Wahl 2012 19,2 Prozent der Stimmen.

Kann man sich als Europäer freuen?

Ein wirklicher Dämpfer für die Rechtspopulisten sieht sicher anders aus. Erleichterung stellt sich trotzdem ein, schließlich hätte es schlimmer kommen können. Möglicherweise hat Rutte seinen Sieg auch dem türkischen Präsidenten Erdoğan zu verdanken. Durch seine gezielte Provokation der Niederlande und die harte und deutlich Antwort der Regierung konnte Rutte sicherlich in der Bevölkerung punkten. Nicht übersehen sollte man jedoch dabei, dass das Verbot von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker in den Niederlanden insgesamt auch zu einer Verschärfung des Klimas führen. Wer genau hin hört, hört wie die Stühle in Den Haag nach rechts rücken.

Für Jubel ist es auch noch zu früh, da die Wahlen in Frankreich genau so noch anstehen wie auch in Deutschland. Erst wenn auch in diesen beiden Ländern der Rechtspopulismus in die Schranken gewiesen wurde, gibt es Grund zum Aufatmen. Europa braucht starke Stimmen für sich, um nicht nur als Idee zu überleben. Insofern ist die Wahl durch den Stimmenzuwachs von „GroenLinks“ und ihrer pro-europäischen Haltung ein Zeichen der Hoffnung.

Und wie geht es privat bei mir weiter? Eigentlich wollte ich gestern spontan etwas zur Wahl twittern und googelt nach „Oranje boven“. Neben einem kuriosen Video stieß ich dabei auf buurtaal, den Blog von Alexandra Kleijn — das ließ bei mir wieder den Wunsch wachsen, Niederländisch zu lernen. Es wäre auch ein Teil zur europäischen Verständigung.

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