Deutschland ist ein demokratischer Staat, vielleicht nicht perfekt, aber er demokratisch und alles andere als faschistisch. Gerade auf Grund der Vergangenheit dieses Landes und der grausamen Verbrechen dürfen sich die Menschen in Deutschland glücklich darüber schätzen, hier und jetzt zu leben.
Als es die DDR noch gab, rief man Kritikern in der BRD gerne „Wenn es dir hier nicht passt, dann geh doch nach drüben!“ entgegen. Diesen Satz fand ich früher schon unangebracht. Es ist so eine Art Totschlagargument. Inhaltlich erübrigt sich damit eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der vorgebrachten Kritik. Und heute habe ich große Lust, einen sehr ähnlichen Satz den Deutsch-Türken, die ihrem Recep Tayyip Erdoğan zujubeln, zu zu rufen.
Wenn euch der politische Kurs von Erdoğan so gut gefällt, warum seit ihr denn noch hier? Oder kann es vielleicht doch sei, dass ihr Freiheit inklusive Meinungsfreiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hierzulande besser findet? Selbst wenn ihr nur wegen des Geldes hier bleibt, scheinheilig ist es auf jeden Fall.
Persönlich halte ich angestrebte Verfassungsänderung in der Türkei für einen enormen Rückschritt. Die Hinwendung zu einem System, was auf eine Person in der Gestalt von Recep Tayyip Erdoğan zugeschnitten ist, kann man nicht mehr Demokratie nennen. Ein Land, welches die Presse- und Meinungsfreiheit beschneidet, Kritiker verhaftet, ist nicht mehr rechtsstaatlich und demokratisch. Es zeigt Anzeichen einer Diktatur. Mit so einem Land kann man, sofern man noch den aufrechten Gang beherrschen möchte, nicht ernsthaft befreundet sein. Man muss diesem Land in aller Deutlichkeit die Meinung sagen. Und wenn das nicht hilft, müssen Sanktionen folgen.
Das gilt insbesondere dann, wenn dieses Land einen deutschen Staatsbürger (und als solchen bezeichne ich alle, die unabhängig von eventuellen weiteren Pässen einen deutsch Pass haben) unter fadenscheinigen Gründen gefangen hält. Deniz Yücel als „deutschen Agenten“ zu bezeichnen, ist eine niederträchtige Lüge. Allein seine Inhaftierung wäre Grund genug, jeden Auftritt eines türkischen Politikers, und sei es auch als so genanten „Privatmann“ in Deutschland zu verbieten.
Das es diesbezüglich keine klare Kante seitens der Bundesregierung gibt, beschämt. Gleichzeitig befremdet das Verständnis türkischer Politiker, welches sie von Deutschland haben. Wenn in Köln und Gaggenau Veranstaltungen nicht zugelassen werden, dann ist das einen Entscheidung auf lokaler Ebene, nichts was von oben verordnet wurde. In demokratischen Ländern weiss man zum Beispiel von der Unabhängigkeit der Justiz.
Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.
Grundgesetz, Artikel 8, Absatz 1
Faschistisch ist im Übrigen auch nicht der Hinweis, das die Demonstrationsfreiheit in Deutschland ein Recht ist, welches deutsche Staatsbürger genießen. Man kann politische Veranstaltungen und Demonstrationen anderer Staatsbürger in Deutschland tolerieren, ja. Muss man aber nicht. Hier gibt es auch kein Gewohnheitsrecht, besonders dann nicht, wenn es das friedliche Zusammenleben der Menschen in Deutschland stört. Zur Erinnerung: in Deutschland leben nicht nur treue türkische Staatsbürger, sondern auch Regimkritiker, Gülen-Anhänger, Kurden und Aleviten.
Wer Wahlkampf machen will, kann das gerne in seinem Land tun — hier in Deutschland bitte nicht, aus oben genannten Gründen.
Deutschland hat es nicht nötig, sich Nazi-Praktike vom türkischen Präsident Recep Tayyip Erdoğan vorwerfen zu lassen. Für mich ist es auch ein Angriff auf unsere Souveränität, wenn Erdoğan behauptet, er könne jederzeit wenn er es will in Deutschland auftreten. Kann er eben nicht. Unserem Land obliegt es, über ein Einreiseverbot zu befinden. Ein solches wäre meiner Meinung nach angebracht. Wer Auftritte türkischer Politiker in Deutschland zulässt, Auftritte bei denen in letzter Konsequenz für die Verletzung von Menschenrechten geworden wird, leistet Beihilfe genau dazu.
Bei Facebook kursierte heute ein charmantes Zitat des Grünen-Polikers Cem Özdemir. Sofern türkische Politiker in Deutschland auftreten, sollten wir auch auf das Recht pochen, in der Türkei Kundgebungen auf dem Taksim-Platz zu machen. Sofern für seine Sicherheit garantiere, wäre Özdemir sogar bereit dort hinzugehen und eine Kundgebung zu veranstalten. Ich denke, genau das sollte unsere Bundesregierung der Türkei vorschlagen.
2 Kommentare
Ich bin ja mit vielen Migranten aus unterschiedlichen Ländern aufgewachsen. Da gab es von den Eltern keine Verherrlichung des Heimatlandes, eher würde man sich den Arm abhacken als zurück zu gehen. Verherrlichung kenne ich nur von Migranten 2. oder 3. Generation, die ihr „Heimatland“ nur im Urlaub kennenlernen. Da lebt es sich natürlich gut, wenn man aus einem währungsstarken Land kommt….
Ein interessanter Punkt. Wer lediglich Urlaub in der „Heimat“ macht, muss dort die Repressionen nicht im Alltag ertragen. Man genieß die Freiheit hier, stimmt aber mit dafür ab, das dort die Freiheit eingeschränkt wird.