Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Eine der Lektionen beim kochen ist die, dass sich eine Suppe beliebig strecken lässt. Irgendwann ist sie einfach zu dünn. Klar, man kann mit Salz nachhelfen. Draus wird aber dann eine versalzene Suppe.

Im übertragenen Sinne wüste ich bei Romanen nicht, was das Salz wäre um eine zu dünne Handlung aufzupeppen. Mancher Autor würde sich über einen magischen Salzstreuer vermutlich ziemlich freuen. So aber bleibt eine zu dünnen Handlung einfach nur eine zu dünne Handlung. Und das ist fast schon das Fazit zu „Der goldene Handschuhe“ von Heinz Strunk. Ja, ich halte das Buch für überbewertet. In den Feuilletons wurde es hoch gelobt, ist jedoch eher eine dünne Suppe. Von Literatur wollen wir hier erst gar nicht sprechen.

AberroCreative / Pixabay

Aber der Reihe nach. Der Roman will Krimi und Milieustudie zugleich sein. Im Kern orientiert sich Strunk am Fall des mehrfachen Mörders Fritz Honka, der in den 70er Jahren in Hamburg mehrere Frauen tötet und zerstückelte. Die Frauen stammten wie er selber aus der untersten Gesellschaftsschicht. Menschen, für die es keinen weiteren Abstieg mehr gab, weil sie bereits ganz unten angekommen waren.

Tatsächlich beschreibt Strunk das Milieu schonungslos, schreckt vor Fäkalien genau so wenig zurück wie vor Alkohol und den unterschiedlichsten Bezeichnungen für Suff. Was ein guter Krimi hätte werden können, scheitert dabei an den Ambitionen. Zwar mag es ganz nett sein, auch auf die sogenannte bessere Gesellschaft einzugehen und anhand einer Reeder-Famile nebst Verwandtschaft zu zeigen, wie ähnlich man doch den dem Alkohol verfallenen am untersten Rand der Gesellschaft ist, doch die Handlung treibt das nicht voran. Im Gegenteil. Es wird nur versucht, über die dünne Suppe hinwegzutäuschen.

Auch wenn sich Strunk wohl intensiv mit dem Stoff auseinandergesetzt hat und auch die existierende Kneipe „Zum goldenen Handschuh“ nebst Umfeld genau kennt, sein Buch bleibt eine Aneinanderreihung von Szenenbildern.

Aus den Seiten trieft die ganze Hässlichkeit und Niedertracht, zu denen Menschen insbesondere unter Alkoholeinfluss fähig sind. Wer Hoffnung und Trost sucht, wird in diesem Roman keines von beiden finden. Leider findet sich auch kein Unterhaltungswert. Obwohl man tief in die Scheiße eintaucht, um ein krasses Bild zu wählen, bleibt man als Leser seltsam unberührt. Die wichtigsten Lektion, dass man dem Leser zumindest eine Identifikationsfigur in einem Roman bieten sollte, scheint Strunk nie gelernt zu haben.

Als Fallstudie mag „Der goldene Handschuh“ seine Berechtigung haben, als Roman taugt er jedoch nicht. Und um Literatur handelt sich hier ebenfalls nicht. Die Figuren wirken abgründig, haben aber keine echte Tiefe. Die ermordeten Frau werden ledig grob umrissen, ihr Schicksal berührt kaum.

Erzählerische Leistung sehe ich für meinen Teil in dem Roman nicht. Am Ende bleibt nur ein unverdienter Hype und die ungeklärte Frage, wie und warum so was eine Nominierung für den Literaturpreis auf der Leipziger Buchmesse erhalten konnte.

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