Die Überschrift ist ziemlich gemein. Zum einen, weil sich die wenigsten Menschen ihren Tod selber aussuchen können. In der Regel sucht man sich auch nicht aus, wann und wie man stirbt (Selbstmörder mal ausgenommen). Viele von uns würde wohl auch eher lieber später als früher sterben.
Elf Tage zu spät — in Bezug auf Roman Herzog kling das ziemlich despektierlich. Ist aber wirklich nicht so gemeint. Es wäre lediglich eine Fortsetzung der „Sterbe-Orgie“ im vergangene Jahr gewesen statt der Auftakt für eine vermutlich ganze Reihe neuer Nachrufe. „Im letzten Jahr sind so viele gestorben, da wäre es auf einen mehr nicht mehr angekommen.“ Das ist wirklich kein schöner Satz in einem Nachruf. Egal um was für einen Menschen es sich gehandelt hat.
Nun gut, ich rede hier eigentlich um den heißen Brei herum und verbrenne mich eher als das etwas Vernünftiges bei herauskommt. Das liegt wohl an meinen Schwierigkeiten mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog. Für mich ist er im Grunde genommen ein weißer Fleck in meinen Erinnerungen.
Von 1994 bis 1999 war Herzog Bundespräsident. Bei mir war das eigentlich genau die Phase, wo ich besonders aufmerksam politische Entwicklung beobachtet habe. Bis auf die berühmt-berüchtigte „Ruck“-Rede habe ich so gut wie keine Erinnerungen an Roman Herzog als Bundespräsident. Das was ich jetzt weiss, stammt aus den vielen Nachrufen, unter anderem aus der Süddeutsche Zeitung. Das er als Bundespräsident den 27. Januar zum nationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus machte — ich wusste es nicht.
Klar ist das für einen politisch interessierten Menschen schon peinlich. Zu meiner Verteidigung kann ich lediglich vorbringen, dass mich die zehn Jahre mit Richard von Weizsäcker prägten. Für mich war er der Idealtypus eines Bundespräsidenten. In gewisser Weise wirkt er sogar überlebensgroß. Für Herzog musste es entsprechend schwierig sein, ihm in seinen Fußstapfen nachzufolgen. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich damals Herzog immer mit Weizsäcker verglichen. Ungerecht, ja bestimmt. Für mich blieb Herzog jedoch jemand mit deutlicher Nähe zur CDU — anderes eben als Weizsäcker, der es wirklich geschafft hat, parteiunabhängig zu wirken.
Die Ruck-Rede haute mich nicht um. Hängen blieb nur, dass alle Einschnitte gefordert und Opfer von allen verlangt wurden. Sozialverträglich klang das nicht für mich. Selbst heute, wenn ich die Rede noch mal im Wortlaut bei Spiegel Online nachlese, stoßen mir viele Stellen auf. Herzog überspitzte an vielen Stellen. Mein Eindruck war und ist, dass er die Ängste der Menschen nicht richtig wahrgenommen hatte. Angstszenarien sind, auch wenn es sich bei ihnen um Fiktionen handelt, erstmal ernst zunehmen.
Eine länger Schulzeit als gestohlene Lebenszeit zu betrachten, finde ich persönlich befremdlich. Bildung an sich ist ein Wert. Nur zu lernen um der Wirtschaft am besten dienen zu können, hat nichts mit Bildung und Bildungsidealen zu tun.
Aber gut, ich will nicht fast zwanzig Jahre nach der Rede noch mal damit anfangen, alles auseinander zu nehmen was damals gesagt wurde. Roman Herzog war ein Bundespräsident, aber nicht mein Bundespräsident.