Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Im Prinzip hat Bastian Bielendorfer mit seinem Eintrag bei Facebook über den Jahresrückblick von Günter Jauch im Fernsehen. Das Lehrerkind meint, es sei kein Quotenhit gewesen, weil niemand auf das beschissene Jahr 2016 zurückblicken will.

Mir geht es ehrlich gesagt genau so. Und es gibt verdammt viele gute Gründe, auch auf einen persönlichen Jahresrückblick zu verzichten. Das Beste, was man über 2016 am 1. Januar 2017 sagen kann dürfte „es ist vorbei“ sein.

rofisch / Pixabay

Stichwörter reichen, um Brechreize auszulösen. Trump, Brexit, Erdogan — wem das noch nicht reicht, der schaut sich den Rechtsruck in Europa an. Am vergangen Sonntag hatte Österreich die Wahl. Entweder einen Rechtspopulisten zum Bundespräsidenten zu küren oder ein Mann, der eher links, demokratisch und in jedem Fall proeuropäisch ist. Letzter hätte eigentlich schon vor einigen Monaten Bundespräsident werden können, wenn es nicht zu Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung gekommen wäre. Eine Steilvorlage vor die FPÖ, deren Kandidat Norbert Hofer unterlag. Allerdings wohl auch ein wirklich berechtigter Grund, die Wahl zu wiederholen.

Zugegeben, ich war doch etwas nervös in Bezug auf den Ausgang der Wahl. Wer Ende der 80er Jahre noch einen ehemaligen Offizier der Wehrmacht mit fragwürdiger Haltung zur NS-Zeit zum Bundespräsidenten wählt, dem traut man auch FPÖ-Kandidaten zu, der ordentlich Kreide gefressen hat. Aber 2016 schein man in Österreich doch klüger gewesen zu sein. Den Österreich hat gewählt und sich mehrheitlich für Alexander Van der Bellen entschieden.

Ein absoluter Lichtblick nicht nur für 2016, sondern auch für Europa. Eine Wahl, die weit über Österreich hinaus zur Kenntnis genommen wurde, denn sie strahlt mit ihrem Ergebnis aus. Sie wird mit Sicherheit (oder zumindest hoffe ich das) auch Auswirkungen auf die Wahlen im kommenden Jahr haben, auch auf die Bundestagswahl in Deutschland.

Das Alexander Van der Bellen die Menschen überzeugt hat, zeigt das es noch Hoffnung gibt. Nicht nur in der Alpenrepublik, sondern auch in anderen europäischen Ländern. Es zeigt, dass man sehr wohl dem Rechtspopulismus etwas entgegen setzen kann. Ruhig und sachlich, frei Hetze an Menschlichkeit und die Werte erinnert, die uns verbinden.

Der Lichtblick hat aber auch Schattenseiten, die wir ernst nehmen müssen. Wie in der Süddeutsche Zeitung zu lesen ist, war die Unterstützung für Van der Bellen dort am größten, wo Bildungsabschlüsse (Abitur oder Hochschulausbildung ) höher waren. Menschen mit geringen Bildungsabschlüssen oder ohne Abschlüsse entschieden sich überwiegen für Hofer. Menschen, die sich abgehängt fühlen von der Gesellschaft — und es in der Regel auch sind. Menschen, die sich versuchen Gehör zu verschaffen. Diese Menschen zu erreichen, sie ernst- und aufnehmen wird eine der größten Herausforderungen sein. Es ist aber wohl die wichtigste Aufgabe, die über das gemeinsame Schicksal entscheidet.

Alexander Van der Bellen könnte zeigen wie das geht. Wenn aus denen, die seinem Konkurrenten wählten Menschen werden, die zumindest sagen „ja, der neue Bundespräsident ist schon in Ordnung“ ist bereits viel gewonnen.

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