Am kommenden Morgen riss Wehmeier das Blatt vom Tageskalender. Freitag, endlich. Beim Frühstück fiel ihm wieder ein, was ihn vor dem Einschlafen gestern beschäftigt hatte. Super-Wehmeier. Er griff sich das abgerissene Kalenderblatt und hielt es sich vor die Brust. Die Elf passte zu ihm. Wehmeier schob den Gedanken und das Kalenderblatt zur Seite und trank den restlichen Kaffee.
Das Fahrrad blieb im Keller stehen, Wehmeier machte sich pünktlich zu Fuß auf den Weg zum Finanzamt. Von dem frühlingshaften Wetter gestern merkte er nicht mehr viel. Durch graue Wolken am Himmel kam die Sonne nicht durch, statt eines milden Lüftchens blies ein ordentlicher Wind. Über den Bürgersteig wehten halbgefüllte orange Plastiktüten mit einem stilisierten Hund darauf. Wehmeier zog die Schultern hoch und hielt die Aktentasche fester umschlossen. Ohne es zu merken, beschleunigten er seine Schritte. Gerade in dem Moment, wo er das Vordach des Eingangs erreichte, setzte der erste Regenschauer ein. Hinter der Tür trat Wehmeier zur Seite, um andere vorbei zu lassen, drehte sich um und blickte durch die große Glasscheibe. Niemand sprach ihn an, alle waren darauf konzentriert, in ihr jeweiliges Büro zu kommen. Obwohl ihm danach war, einfach dort am Fenster stehen zu bleiben, schloss Wehmeier sich der Karavan an. Den Aufzug in sein Stockwerk mied er, nach guten Morgen war ihm genau so wenig wie nach einem längeren Gespräch.
Als er die Tür geschlossen, seinen Rechner angeschaltet und sich angemeldet hatte, rief er als erstes sein E-Mail-Postfach ab. Der Kantinenplan für die kommenden Woche erwartete ihn bereits. Ohne vorab einen Blick darauf zu werfen, druckte Wehmeier ihn aus, löste den alten von der Tür und ersetzt ihn durch den neuen. Dann stutzte er. „Vegetarische Woche“ stand über Datum und Kalenderwoche.
Zwanzig Minuten später füllte Wehmeier am Computer eine Materialanforderung aus und schickte sie per Mail ab. Er brauchte einen neuen Bleistift. Sicherheitshalber hatte er einen neuen Anspitzer mit angegeben. Die Eukalyptus-Bonbons für seine Schublade lagen zu Hause, so dass er ins Leere griff. Bis zur Mittagspause musste Wehmeier mehrere Beschwerden bearbeiten, die auf unsachgemäße Steuerbescheide zurück zu führen waren. In der Zeit vermied er es, zum Fensterbrett und zu den Kakteen zu sehen. Auch an den Urlaubsplaner wollte er lieber nicht denken.
Ungewöhnlich spät für einen Freitag betrat Wehmeier um die Mittagszeit herum die Kantine. Lustlos bestückte er sein Tablett. Als Beilage wählte er zum ersten Mal den Salat, an den er ohne zu fragen gut herankam. Es lächelte ihn keiner an, wortlos bezahlte er und setzte sich auf einen Platz möglichst weit weg von der Fenstfront, an die der Wind den Regen drückte.