Verglichen mit dem Amt wirkte der Supermarkt immer auf Wehmeier wie ein chaotisches Paradies der vielen Möglichkeiten. Sicher wusste er, das dieses Paradies klaren Regeln folgte und alles andere als chaotisch war. Zudem gab es auch Regeln für seinen Einkauf, die Wehmeier für sich aufgestellt hatte. Eine davon lautete, niemals mit leerem Magen einkaufen zu gehen. Die Verlockungen, dann etwas in den Einkaufswagen zu packen, was im Grunde gar nicht benötigt wurde, waren viel zu groß. Auch gegen die zweite Regle, stets vorbereitet mit einer Tasche zum einkaufen zu gehen, verletzte Wehmeier. Obwohl er um seine Verstösse wusste, so waren sie ihm doch egal.
Zielstrebig steuerte er auf das Regal mit den gekühlten Milchprodukten zu. Zielstrebig genug, um den Hindernissen aus dem Weg zu gehen, die ihn von seinem Schokoladenpudding trennt. Nicht zielstrebig genug, um der Vielfalt der unterschiedlichen Sorten zu widerstehen. Vier Becher konnte er gerade so noch tragen, ohne auf einen Einkaufswagen oder Korb, für den man keine Münze oder Chip benötigte, angewiesen zu sein. Erst nach dem Besuch der Wursttheke griff er zu einem Korb, bevor er die Spirituosenabteilung betrat. Bier befand sich noch ausreichend in seinem Kühlschrank. Für heute aber, so fand Wehmeier, hatte er sich einen Wein verdient. Manchmal mussten Wochenenden vorgezogen werden.
Eingepfercht zwischen zwei Warentrennern bewegten sich die Bestandteile seines Einkaufs auf dem Band weiter zur Kasse hin. Für Wehmeier zeichnete sich ab, dass er kaum etwas davon in seiner Aktentasche verstauen konnte. Sein Hand, die gerade den Einkaufskorb vor dem Kassenbereich abgestellt hatte, griff dorthin, wo üblicherweise die Plastiktüten lagen, von denen Wehmeier dank seiner sonstigen Vorbereitung bisher nie eine benötigt hatte. Gähnenden Leere. Irritiert schaute er rüber zur Kassiererin, die sich bereits im Feierabendmodus befand und die Waren wie im Schlaf über den Scanner zogt. Meep, quitierte sie jeden einzelnen Vorgang. Meep? Sie sah irritiert rüber zu Wehmeier. Dann zeigte sie hinter sich, auf einen Metallständer, an dem Stoffbeutel hingen.
„Sie können sich davon einen ausleihen.“
Für Wehmeier hörte sich das an wie eine Bandansage, die einmal zu oft abgespielt wurde. Die Stimme leierte bereits, als die Erklärung für die Stoffbeutel im nächsten Satz folgte:
„Plastiktüten gibt es aus Gründen des Umweltschutzes nicht mehr.“
Notgedrungen lieh sich Wehmeier einen Stoffbeutel, auf denen er gerne verzichtet hätte. Als er seinen Einkauf verstaute, fragte die Kunden hinter ihm ebenfalls nach einer Plastiktüte und bekam genau die gleiche Antwort von der Kassiererin.