Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Ohne es zu wissen scheine ich eine extrem ausgeprägte masochistische (nein liebe Rechtschreibkorrektur, nicht maoistische) Ader zu haben. Warum sonst sollte ich immer noch in der SPD sein, die mich mit Entscheidungen immer wieder quält?

Als Genosse muss man nicht erst seit gestern extrem leidensfähig sein, aber gestern gab es einen erneuten Tiefpunkt in der Geschichte der SPD. Der Parteikonvent ein Wolfsburg stimmte mehrheitlich für das umstrittene Freihandelsabkommen CETA. Wie viele der anwesenden Delegierten dafür stimmten, weiß man nicht so genau, denn die Abstimmung erfolgte ohne Zählung lediglich über Handzeichen.

Kuenstlerhaus / Pixabay

Das es überhaupt eine Mehrheit gab, lässt sich eigentlich nur mit Sigmar Gabriel erklären. Dem Parteichef, der auch Bundeswirtschaftsminister ist und beides wurde, weil man in der SPD offensichtlich mittlerweile besser Karriere macht, wenn man nur noch sich selbst vertritt. Die Interessen der Wählerinnen und Wählern jedenfalls waren es nicht, welche die Genossen in Wolfsburg ihre Hand heben ließ. Einzig und allein die Angst, mit einem Nein zu CETA Gabriel nicht nur als Minister, sondern auch als Parteivorsitzenden und potentiell (sehr wahrscheinlichen) Kanzlerkandidaten zu schwächen. Es war also kein Votum für CETA, sondern eins für den Parteichef.

Heribert Prantl brachte heute in der SZ die Doppelfunktion von Gabriel treffend auf den Punkt:

Parteichef und Wirtschaftsminister zugleich: Das verträgt sich bei der FDP, nicht aber bei der SPD.

Mehr als 100.000 Menschen sind am vergangen Wochenende gegen TTIP und CETA auf die Straße gegangen. Haben nicht zum ersten Mal gegen die beiden Freihandelsabkommen demonstriert, weil sie befürchten, dass die Bevölkerung hierzulande davon nicht profitieren wird. Ein eigentlich klares Signal an die Politik waren die Demonstrationen. Ein Signal jedoch was bei der SPD nicht angekommen ist.

Trotz der bisherigen Verluste bei den zurückliegenden Wahlen, wie zuletzt in Berlin mit minus fünf Prozent, will man einfach nicht die Menschen ernst nehmen. Unbeirrt wie im „Sozialismus“ der DDR hält man am Kurs fest (sorry für den Vergleich, aber ich lese gerade das hochinteressante Sachbuch „Volkes Stimme von Siegfried Suckut).

Die SPD ist keine neoliberale Partei light. Sie ist, oder sollte, in erster Linie eine soziale Partei sein. Für mich gehört dazu, genau zu hinterfragen, wem ein Freihandelsabkommen nützen wird. Wie gut Freihandel funktioniert, sieht man ja am Beispiel USA und Mexiko.

Eine große Zahl der Menschen in Europa lehnt TTIP und CETA ab. Man muss diese Menschen ernst nehmen, sich mit ihnen und ihren Ängsten auseinandersetzen. Sonst verliert nicht nur die SPD als Partei auch bei den nächsten Wahlen weiter Stimmen, sondern wir alle verlieren ansonsten auch Europa. Wird CETA und später auch doch noch TTIP durchgedrückt, werden die Menschen in Europa das mit der EU in Verbindung bringen, was ihre Skepsis zu dieser Union weiter stärken wird.

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