Vermutlich hätte ich den Thriller „Wolfspinne“ von Horst Eckert auch in weniger als fünf Tagen auslesen könne. Spannend war das Buch, ohne Zweifel. Immer im Hinterkopf hatte ich jedoch den Umstand darüber auch eine Rezension zu schreiben. Bereits nach den ersten Seiten des Buches war mir klar, wie schwer das werden würde.
Ein Satz aus der Buchankündigung führte nicht nur zum Kauf des Thrillers, sondern wurde gleichzeitig auch zur Messlatte:
Ein hochbrisanter Politthriller vor dem Hintergrund von Flüchtlingszuwanderung und Pegida, der die offizielle Version zum Thema NSU infrage stellt.
Das sind große Töne, ein Versprechen, welches man als Autor dann auch einhalten sollte. Für mich als Leser kommt hinzu, dass ich „Die schützende Hand“ von Wolfgang Schorlau kenne und Ende Mai auch für ziemlich gut befand. Ein Vergleich der beiden Romane ist naheliegen, denn beide verenden aktuelle Zeitgeschichte als Bezugsrahmen. Die NSU als Thema für einen Krimi ist nicht abwegig, eher naheliegend. Beide Autoren haben unabhängig voneinander einen ganz eigene Zugang zur Thematik gefunden und jeder für sich einen Weg gewählt, aus dem Stoff eine spannende Handlung zu machen. Für mich ist „Die schützende Hand“ jedoch das eindeutig bessere Buch, was allerdings nicht bedeutet, Eckart hätte ein langweiliges Werk verfasst.
Ohne Zweifle ist „Die Wolfsspinne“ spannend. Man merkt Eckert die Routine an, die Hauptfigur, der Ermittler Vincent Veih, hat ihren dritten Krimi-Auftritt. Es wird sicher zahlreiche begeisterte Leserinnen und Leser geben. Wenn man jedoch „Die schützende Hand“ kennt, hat es „Die Wolfsspinne“ deutlich schwerer.
Ein erheblicher Unterschied zwischen den zwei Bücher ist der Mordfall selber, um den es geht. Schorlau geht hier deutlich geschickter vor. Sein Privatdetektiv Georg Dengler erhält von einem anonymen Anrufer den Auftrag einer Frag nachzugehen: „Wer erschoss Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt?“ Das ist der Dreh- und Angelpunkt der Handlung. Die Spurensuche treibt die Figur, wirft Fragen auf, die sich auch der Leser stellt. Schorlau schreibt dabei an den Fakten entlang. Mit etwas Fiktion, wo es notwendig ist, der größte Teil aber basiert auch beeindruckender Recherche. Über Fußnoten wird Bezug genommen auf Presseartikel, Aktenmaterial und Tatortfotos. Am Ende des Krimis ist man aufgewühlt und misstrauisch. Was ist die Wahrheit?
Eckart wählt seinen eigene Weg. Aufhänger ist in „Wolfsspinne“ der Mord an einer Restaurantbesitzerin. Der hat zunächst nichts mit der NSU zu tun. Es bedarf einiger Wendungen, um vom Drogenmilieu rüber zu NSU einen Bogen zu schlagen. Und eine Vielzahl von Figuren, welche die Handlung vorantreiben müssen. Dabei verwendet Eckert den NSU-Komplex meiner Meinung nach lediglich als Inspirationsquelle. Ein viertes Mitglied des Trios wird kurzerhand erfunden, er ist es auch, wer auf Befehl seines Vorgesetzten bei Staatsschutz Mundlos und Bönhardt erschiesst. Oh falsch. Denn Uwe Mundlos und Uwe Bönhardt heissen bei Eckert anders. Max und Gerri und dann ist da noch Liese Schittko, die in Wirklichkeit Beate Zschäpe heisst — aber nicht bei Eckert.
Warum die anderen Namen? Die Frage beschäftigt mich auch nach dem durchlesen des Buches. Wirklich unfreiwillig komisch wird es aber, wenn ehemalige Anwalt von RAF-Terroristen und nun bekennender Rechter Ole „Odin“ Naumann im Buch auftaucht. Natürlich ist das Horst Mahler und sonst keiner, die Ähnlichkeiten in der Biografie sind alles andere als zufällig. Spätestens an der Stelle, wo unausgesprochen im Raum steht, Neumann könnte der Vater von Vincent Veih (dessen Mutter der RAF angehörte) sein, hatte mich Eckert als Leser eigentlich verloren. Selbst eine Fiktion muss in sich stimmig und auch glaubwürdig sein.
„Wolfsspinne“ hat definitiv zu viele Zutaten. Crystal Meth, Bandidos, windige Immobiliengeschäfte, rechte Polizisten, Polizisten mit Migrationshintergrund, eine lesbische Beziehung, den Staatsschutz der sein eigenes Spiel spielt, die RAF, Flüchtlingspolitik, Gutmenschen und linke Demonstranten, skrupellose Karrieremenschen, Neonazis — habe ich was vergessen? Als Klammer dienen dann im Prolog und Epilog die Gedanken der Tochter eines NSU-Opfers. Das wirkt genau so billig wie das Verzeichnis der Todesopfer durch rechte Gewalt sei 1990. War das wirklich nötig? Braucht „Wolfsspinne“ noch als Rechtfertigung?
Wer „Wolfsspinne“ liest, wird auf jeden Fall gut Unterhalten. Spannend ist das Buch. Anspruchsvoll jedoch nicht. Es ist kein hochbrisanter Politthriller, sondern ein bodenständige, guter Lokalkrimi. Als solcher hätte er auch funktionieren können, wenn man den NSU-Bezug weggelassen hätte. Denn der wirkt aufgesetzt und an den Haaren herbeigezogen.
Die Befreiungsaktion für Liese hat bei mir beinahe zu einem Lachanfall geführt.
Im Übrigen noch eine Kleinigkeit: Grauburgunder trinkt man am besten gekühlt — ich weiss, ein kleines Detail, ab genau auf die kleinen Details kommt es in einem Krimi an.