Von allen guten und bösen Geistern verlassen

In dieser Woche wird Nordrhein-Westfalen 70 Jahre alt. Bei Menschen würde man unter Umständen sagen, „du hast dich aber gut gehalten“. Bei einem Bundesland ist so was schon etwas schwieriger. Und besonderes schwierig, wenn das Bundesland ausgerechnet NRW ist (das Einzige unter den Bundesländer, bei dem die Abkürzung den gleichen Stellenwert hat wie der eigentliche Name).

Ein Bundesland mit einer wechselhaften Geschichte. Vom Motor der jungen Bundesrepublik, nicht zuletzt auf Grund des Ruhrgebiets, hin zum Kranken Mann am Rhein. Der Strukturwandel hat Spuren hinterlassen, ohne Zweifel. Am Boden liegt die Region aber nicht, selbst die nur kurz von der CDU unterbrochen lange Dominanz der SPD in der Landesregierung vermochte das nicht zu erreichen. NRW-SPD hieß es eine sehr lange Zeit. Es gehört schon etwas Hybris dazu, so eine Aussage zu treffen. Was aber typisch ist für das gesamte Bundesland. NRW, eine Mischung aus Bodenständigkeit und Großspurigkeit, frei von hanseatischem Understatement.

Nach wie vor hat NRW im Vergleich mit den anderen Bundesländern die meisten Einwohner. Es muss also einen Grund gebe, das das Bundesland trotz vieler Eigenheiten noch nicht völlig entvölkert ist. Fehler zu denen man steht machen sympathisch. Vielleicht ein Wenig, jedenfalls.

Es ist furchtbar, aber es geht.
Rüdiger Hoffmann, Jürgen Becker

NRW, ein Bundesland mit zwei sehr unterschiedlichen „Stämmen“. Rheinländer und Westfalen, schlimmer noch Ostwestfalen. Trotz der Unterschiede auch in der Mentalität hält es nach wie vor zusammen. Und hey, trotz einiger lokaler sprachlicher Eigenarten können wir in NEW mit stolz geschwelter Brust sagen: „Wir können sogar Hochdeutsch.“

Nordrhein-Westfalen ist das Bundesland, in dem ich sowohl geboren bin als auch das Land, in dem ich mein ganzes bisheriges Leben verbracht habe. Aufgewachsen am Niederrhein, Studium in Bielfeld und jetzt wohnhaft in Köln. Westen, Osten und Süden. Verbindet man die Städte auf der Karte miteinander, entsteht ein Dreieck, welches einen großen Teil von NRW umschließt. Sicher kenne ich NRW weniger als meine Westentasche, was auch dran liegt, dass ich nie Westen trage.

Ob NRW mein Lieblingsbundesland ist? Die Frage lässt sich nicht beantworten, dazu kenne ich die anderen Länder zu wenige. Vorstellbar für mich als Alternative zu Leben sind aber nur vier. Niedersachsen beziehungsweise Schleswig-Holstein (Nordsee, Küste, Dänemark) ganz oben im Norden oder aber Baden-Württemberg (Wein, Bodensee, Schwarzwald) und Bayern (Berge, wandern, München) im Süden. Bayern hätte den bestechenden Vorteil trotz der Sprachbarriere, endlich dort zu wohnen, wo meine Tageszeitung auch den passenden Regionalteil hat.

Den gab es für NRW in der Süddeutsche Zeitung im Jahr 2002 mal gerade für 14 Monate. Groß angekündigt in den Regionalzügen, dann wieder eingestellt. Genauso eingestellt wie der Versuch des Spiegels Anfang diesen Jahres mit einem Regionalteil. Dabei gibt es genügend Stoff für Nachrichten aus diesem, meinem Bundesland.

Bevor ich es noch vergesse: Herzlichen Glückwunsch, Nordrhein-Westfalen, du alte Tante.

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