Völlig erstaunt nahm ich gestern zur Kenntnis, wie unreflektiert wir manchmal Wörter und Begriffe verwende. Auch diejenigen von uns (mich eingeschlossen), die glauben sensibler zu sein.
Ohne zu zucken nehmen wir Meldungen wie diese zur Kenntnis:
Während 70 Prozent der besser gestellten Eltern finden, dass ihr Kind gut in der Schule zurecht kommen, sind nur 40 Prozent der sozial schwächeren Eltern dieser Ansicht.
Quelle: FAZ
Ähnlich ist auch dieser einleitendene Text eines Artikels mit der Überschrift „Sozial schwache Kinder im Nachteil“:
Nur Kinder mit Migrationshintergrund und aus sozial schwachen Familien haben weniger Glück: Sie neigen stärker zu Übergewicht, Essstörungen und psychischen Auffälligkeiten als andere.
Quelle: Pharmazeutische Zeitung
Der Kontext ist austauschbar. Was uns stutzig machen sollte ist nicht nur die Ungerechtigkeit, die Benachteiligung und Chancenlosigkeit. Erst durch einen Beitrag bei Facebook wurde ich darauf gestoßen, in dem sich eine Genossin darüber beschwert, dass auch innerhalb der SPD eine bestimmte Formulierung üblich ist.
Mich regt es mehr und mehr auf, dass Menschen, welche in finanziell schlechten Verhältnissen leben (müssen) immer als „sozial“ Schwache bezeichnet werden. Sie sind wirtschaftlich schwach und nicht sozial schwach.
An der Äußerung ist viel wahres dran. Mangelnde ökonomische Stärke sagen nichts über das Sozialverhalten aus. Ja, es gibt Vorurteile. Es gibt aber auch Lebenserfahrungen, die das genau Gegenteil beweisen. So würde ich Steuerhinterziehung in Millionenhöhe als sozial schwache Leistung, wenn nicht sogar als asozial bezeichnen.
Man könnte dreierlei Gedankenspiele als typische Verhaltensweise eines Kritikasters abtun. In Wirklichkeit aber ist die Verwendung von „soziale Schwache“ beschämend. Beschämend für diejenigen, die den Begriff unreflektiert verwenden.