Das ich Spiele mag, brauche ich vermutlich an dieser Stelle nicht zu betonen, es dürfte auch weniger regelmäßigen Lesern mittlerweile bekannt sein. Ebenso meine Neugier Neuem gegenüber. Wenn beides dann auch noch zusammen kommt, es also um ein neues Spiel geht, bin ich kaum zu bremsen.
Aus diesem Grund stand für mich fest, dass ich mir „Pokemon Go“ für iOS installieren würde, sobald es im deutschen App-Store wieder verfügbar ist. Auch, um zu selber dahinter zu kommen, warum dieses Spiel so einen Hype ausgelöst hat. Es spielen weltweit mehr Menschen Pokemon Go als jedes andere mobile Spiel zuvor, die Nutzung übertrifft die von Twitter und der Börsenwert von Nintendo stieg an. Aber, so eine alte Regel, was Massen begeistert muss noch lange nicht wirklich gut sein. Darum ist es wichtig, sich selber ein Bild zu machen.
Gestern installierte ich mir Pokemon Go, fing dann ein paar dieser Monster auf dem Weg nach Hause ein, lernte, dass ich erst ab Level 5 eine Arena betreten darf und dass es Stationen unterwegs gibt, wo man gratis Bälle bekommt. Die werden benötigt, um die Monster zu fangen.
Was die Arena-Kämpfe angeht, kann ich noch nichts dazu sagen, da ich besagten Level 5 noch nicht erreicht habe. Auch nicht heute Morgen auf dem Weg zur Arbeit, als es mir gelang ein paar weitere Tiere einzufangen. Für mich ergeben sich aus meine (bescheidenen Spielerfahrungen) und den ersten Eindrücken schon ein paar Erkenntnisse.
Anders als berichtet wird, kann Pokemon Go sogar Leben retten. Meins zum Beispiel. Gestern Abend hatte ich eine für mich grüne Ampel ein paar Sekunden zu spät bemerkt, stand also länger als normal auf dem Bürgersteig. Mein Glück, denn ein Autofahrer hatte sein rotes Signal übersehen.
Davon abgesehen reicht es wohl aus, wenn man gelegentlich aufs Display blickt um in der Umgebung etwas zu entdecken. Vorausgesetzt, man hat das Spiel die ganze Zeit laufen, was ziemlich am Akku zerren dürfte. Kleinigkeiten, vermutlich. Mich interessiert dagegen, was spielerisch geboten wird. Und das ist leider verdammt wenig. Eine wirklich Herausforderung sehe ich nicht. Alle Pokemons sammeln und möglichst viele Orte besuchen. Ehrlich, beim wandern erlebe ich wesentlich mehr, habe Fotos und meinen aufgezeichnet GPX-Track als Trophäen ganz ohne In-App Käufe.
Zudem mag ich es nicht, ständig online zu sein und spielen zu müssen, um Erfolge und Fortschritte zu erzielen. Eine Langzeitmotivation für mich sehe ich bei Pokemon Go nicht. Auch nichts, was meinen Intellekt reizt. Ich mag es, um die Ecke denken zu müssen, Spiele mit wirklicher Tiefe zu spielen.
Tiefe und Anspruch sind genau das, was einem bei Twilight Struggle geboten wird. Und eine KI, die es zumindest meiner Ansicht nach richtig drauf hat. Vor zwei Tagen habe ich ein Spiel verloren, welches ich für mich bereits gewonnen glaubte. Mit 18 von 20 Punkten sah ich mich auf der Straße der Sieger. Ein Zug von mir, und das Spiel endete mit meiner Niederlage. Mich hat es jedoch nicht geärgert, sondern überrascht. Das was die KI tat, war regeltechnisch einwandfrei und genial.
Bei Twilight Struggle spielt der DEFCON-Status eine wichtige Rolle. Wenn er auf 1 fällt, verliert der aktive Spieler sofort das Spiel. Auf der Hand hatte ich als USA-Spieler eine Karte, die als letzte Karte spielen musste. „Lone Gunman“. Aufbewahrt bis zum Ende der Runde, damit der Gegner keine andere Handkarte zu sehen bekommt. Schließlich heisst es:
US player reveals his hand. Then the USSR may Conduct Operations as if they played a 1 Op card.
Zum Zeitpunkt des Ausspielens von Lone Gunman stand der DEFCON-Status auf 2. Ich nutzte den einen Operation Point der Karte, bevor das Event für die UDSSR ausgelöst wurde. harmlos, dachte ich. Denn ich hatte ja keine Karte mehr auf der Hand. Und ein OP für den Gegner, den er in meinem Zug aufwenden kann, nun ja, hielt ich nicht für bedrohlich.
Zu den Regeln von Twilight Struggle: Jeder Coup in einem Kriegsgebiet senkt den DEFCON-Status weiter Richtung Nuklear Schlag. Während Europa, Asien und der Nahe Osten bei sinkendem DEFCON-Status für einen Coup blockiert sind, ist eine solche Aktion in Afrika möglich. Man muss dafür lediglich Operation Points (OP) einsetzen. Zudem gibt es in Afrika Kriegsgebiete. Die KI nutzen den einen 1 OP von Lone Gunman für einen Coup in einem Kriegsgebiet. Der DEFCON-Status stieg auf ein und ich verlor das Spiel, denn ich war zu diesem Zeitpunkt der aktive Spieler.
Touché! So müssen Spiele aussehen, damit sie mir Spaß machen. Einen virtuellen Ball werfen, um ein Monster zu werfen — was ist das schon im Vergleich zum Kalten Krieg?