An ein meine erstes Englisch-Buch in der 5. Klasse kann ich mich noch gut erinnern. Es trug den Titel „The Goof Companion — A New Guide 1“ und liegt während ich diese Zeilen schreibe, neben der Tastatur. Im ersten Kapitel geht es um Bob und Dan. „Good morning, Bob.“ lautet der erste Satz.
Mein erster Satz auf Englisch. Es dauert dann dennoch lange, bis ich Englisch richtig verstand, noch viel länger, bis ich die Engländer auch nur ansatzweise verstand. Nicht wegen der Sprache, sondern auf Grund ihrer Mentalität. Wobei es „die Engländer“ nicht gibt, vor allem aber darf man nicht den Fehler machen, England und Großbritannien gleichzusetzen. Erst in der Oberstufe lernten wir, etwas hinter den Vorhang zu blicken und uns mit den Konflikten auf der anderen Seite des Kanals auseinander zu setzen.
In den letzten Wochen fühlte ich mich wieder an den Englischunterricht in der fünften Klasse erinnert. An die Schwierigkeit, Engländer zu verstehen. Überall wurde über den Brexit diskutiert, den möglichen Ausstieg von Großbritannien aus der Europäischen Union. Ob im Zug, auf der Arbeit mit Freuden oder Fremden, mit denen man zufällig irgendwo in einer Schlang stand. Wirklich vorstellbar, dass sich eine Nation für so etwas unsagbar dummes wie den Brexit entscheiden würde, war es nicht.
Gestern wurde abgestimmt. Noch während ich einen Artikel in der Süddeutsche Zeitung las, gab es ein Update — ein der Vorteile, welche die digitale Ausgabe mit sich bringt. Danach sah die Startseite etwas anders aus. Aber nicht nur die Startseite der Zeitung, sondern auch Europa selber. Großbritannien hat sich mehrheitlich für den Brexit entschieden.
Allerdings gibt es ein deutliches Gefälle hinsichtlich des Stimmverhaltens. Der Hadrian’s Wall teilt nicht nur Schottland und England, sondern auch die Sicht auf Europa. Die Schotten aber in der Mehrheit für einen Verbleib in der EU gestimmt, denn sie wissen, wie viele Vorteile sie dadurch haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Brexit zu einem erneuten Referendum über die Unabhängigkeit von Schottland führen wird, ist ziemlich hoch.
In Nordirland hat man ebenfalls für den Verbleib gestimmt. Insbesondere dort wird der Brexit erhebliche Folgen haben für Zoll- und Grenzverkehr zum restlichen Irland. Aber auch in London wird man die Folgen spüren. Finanzdienstleister haben bereits ebenso wie nicht unbedeutende Firmen angekündigt, sich anderswo anzusiedeln. Als Folge des Abstimmungsergebnisses fiel das englische Pfund auf den tiefsten Stand seit 30 Jahren. Der britische Premierminister David Cameron kündigte sein Rücktritt an.
Der Brexit wird Großbritannien nicht stärken, sondern schwächen. Gerade die jüngeren Generationen, welche mehrheitlich für den Verbleib gestimmt haben, werden die Folgen zu tragen haben.
Ohne Großbritannien ist die europäische Idee nicht tot. Es ist wichtig, die Abstimmung nicht als Niederlage für die EU zu sehen, sondern als Aufforderung, die bestehenden Probleme zu lösen und Konflikte zu überwinden. Hier müssen insbesondere Frankreich und Deutschland mit einer Stimme sprechen. Ein vereinigtes Europa ist mehr als ein Ideal. Es muss ein starker Spieler in einer globalisierten Welt sein. Einzelnen Nationalstaaten werden niemals ein Gegengewicht zu Supermächten wie den USA, Russland oder China sein können.
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