Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Mit sehr viel Enthusiasmus fing ich mein Studium in Bielefeld an. Lehramt Primarstufe, hört sich gut an. Mehr noch, es steckte auch eine gehörige Portion Überzeugung dahinter. Das Ergebnis dürfte denen, die schon etwas länger hier im Blog lesen, bekannt sein.

Eines erwähne ich im Zusammenhang mit dem Lehramtsstudium immer gerne. Bewusst hatte ich mich für die Grundschule entschieden, weil es nichts spannenderes gibt als Kinder zu erleben, die ihre ersten Schritte im Zahlenraum unternehmen und entdecken, wie viel Freude lesen und schreiben machen kann. Mitunter ist es genau diese Freude, die in späteren Jahrgangsstufen verloren geht. Ich wollte meinen Teil dazu beitragen, das positive Gefühl welches bei den meisten mit der Einschulung verbunden ist, so lange wie möglich zu erhalten. Anders wollte ich sein als ein Teil der Lehrerinnen und Lehrer, welche ich selber erleiden musste. Allen voran eine Musiklehrerin, die für einen nachhaltigen Schaden sorgte.

geralt / Pixabay

Zu keinem Zeitpunkt verband ich mit dem Lehramtsstudium die Aussicht auf eine große Karriere oder einen hohen Verdienst. Als Lehrer kommt man über die Runden, gehört zum Bildungsbürgertum (die meisten jedenfalls) und kann sich auf eine beachtliche Menge Ferien freuen. Natürlich war mir schon damals bewusst, dass die Ferien nur ein Ausgleich für die Zeit sind, welche man abends und an Wochenende am Schreibtisch zu Hause verbringt — ich erlebe das täglich bei meiner Frau, die Lehrerin geworden ist.

Lehrer zu werden war für mich mit Idealismus verbunden. Nur Kinder zu mögen reichte mir nicht aus, ich halte es nach wie vor für eine sehr schwache Begründung für die Berufsentscheidung. Allerdings ist Idealismus immer auch ein Garant für Ausbeutung und Selbstausbeutung — man sehe sich dazu beispielsweise die Pflegeberufe an.

In Bezug auf den Verdienst lernte ich dann ihm Studium die eiserne Regel kennen, welche in Deutschland Maßstab für die Entlohnung des Lehrpersonals ist. Bezahlt wird nach Körpergröße (beziehungsweise Jahrgangsstufe). Kleine Kinder, kleines Geld. Große Kinder, großes Geld. Mit Verantwortung hat das alles nichts zu tun. Verstehen lässt es sich auch ausschließlich aus der Historie heraus. Da man eine verdammt lange Zeit der Meinung war, für die Primarstufe benötige man keine besondere Vorkenntnisse um dort zu unterrichten, war die Ausbildung entsprechend anders als diejenige von Gymnasiallehrern.

Ganz früher waren es Invaliden, die in den Volksschulen unterrichteten. Sogar in den 1960er Jahren war man in Nordrhein-Westfalen der Meinung, für den Einsatz in der Grundschule würde bereits das Abitur ohne weitere Qualifikation ausreichen (vgl. Mikätzchen).

Mein Studium verschaffte mir Einblicke und das Verständnis von Zusammenhängen im Bildungsbereich. Allein deswegen möchte ich es trotz allem nicht missen. Wenn es um das Thema Bildung geht, habe ich den Eindruck ein Stück quitt qualifiziert mitreden zu können. Für mich barg der Artikel in der Süddeutsche Zeitung  heute „Grundschulen oft ohne Chef“ keine Überraschung. Bundesweit sollen 1000 Rektorenstellen an Grundschulen unbesetzt sein. Zu den Bundesländer, wo es besonders dramatisch ist, gehört Nordrhein-Westfalen.

Mich wundert so was nicht. Wer an einer Grundschule eine Leitungsfunktion übernimmt, wird nur geringfügig besser bezahlt als die Kolleginnen und Kollegen, die an der selben Grundschule nur unterrichten. Gleichzeitig wird er erheblich schlechter bezahlt als eine Rektorin oder Rektor eines Gymnasiums. Für das Bisschen mehr Geld übernimmt man an einer Grundschule eine menge Verantwortung. Personalverantwortung, man muss sich um die Organisation des Schulbetriebs kümmern, ist verantwortlich für das Schulprofil un vieles mehr. Für Eltern, Schüler, andere Lehrer so wie Politik und Behörden ist man Sparringspartner. Das die meisten abwinken wenn sie gefragt waren, den vakanten Posten zu übernehmen, ist mehr als verständlich.

Das Problem lässt sich, wie NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann laut SZ sagte, „nicht auf Knopfdruck lösen“. Es lässt sich aber auch nicht dadurch lösen, dass immer wieder eine umfassende Reform des Bildungssystems vermieden wird. Die ungleiche Bezahlung ist nur einer von vielen Punkten, die einer dringenden Reform bedürfen.

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