Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Ob man nun den Begriff Flagge oder Fahne nimmt, ist im Prinzip egal. Im alltäglichen Sprachgebrauch hat es sich eingebürgert, von Fahne zu sprechen, also auch von der Deutschlandfahnen. Jenes schwarz-rot-goldenen Lappens, den man aktuell recht günstig sogar in Baumärkten erwerben kann — aus synthetischem Material und möglicherweise nicht ganz frei von Kinderarbeit.

Gut, „Lappen“ ist möglicherweise eine ungebührlich Bezeichnung für die Fahne, führt uns aber direkt ins Thema. Im Rahmen der Fußball-EM sieht man die Deutschlandfahne nämlich ziemlich häufig auch hierzulande. Darüber kann man sich aufregen, sich lustig machen, den Kopfschütteln oder einfach mit den Schultern zucken. Es ist wie es ist. Meine gereifte Meinung zum Thema finden sich an der einen oder anderen Stelle hier im Blog.

Die falsche Formel

Die falsche Formel

Um den eiligen Leser die Mühen der Suche zu sparten, hier noch mal die Kurzform: Ich persönlich habe kein gestörtes Verhältnis zu Schwarz-Rot-Gold, finde die Fahne gut und insbesondere das, wofür sie steht. Zudem bin ich auf fest davon überzeugt zu wissen, wofür sie nicht steht, nämlich für Nationalismus und Dumpfbürgertum. Zugegeben, das war nicht immer so, auch bei mir gab es eine Phase der Irrungen und Wirrungen — aber das greife ich gleich noch mal auf.

Die Grüne Jugend Rheinland-Pfalz befindet sich möglicherweise noch genau in dieser Phase, forderte sie doch am Wochenende auf, die Fahne runter zu nehmen.

„Patriotismus = Nationalismus Fußballfans Fahnen runter!“

Oh je. Als ich damals in dem Alter war, hätten wir bei den Jusos sicher auch so was gefordert. Und unsere Sprüche und Ansichten hinsichtlich der Deutschlandfahne waren garantiert ähnlich. Unser Glück war jedoch, dass es so was wie Facebook und Twitter nicht gab. Die merkwürdigen Ansichten einiger Heranwachsender aus Wesel bliebt damit dem Rest der Republik erspart. Das Glück hatte die Grüne Jugend Rheinland-Pfalz leider nicht, sie lösten einen riesigen Shitstorm aus.

Kleine Anmerkung dazu (und zu dem was ich von ein paar Genossen gelesen habe): man sollte sich als Sozialdemokrat mit Juso-Wurzeln erstmal an die eigene Nase packen bevor man hämische Kommentare von sich gibt. Besser wäre es, einfach ein ruhiges Gespräch zu suchen und deutlich zu machen, dass die Formel „Patriotismus = Nationalismus“ bereits im Ansatz falsch ist. Sich, es gibt Schnittmengen. Genau so gut gibt es aber überzeugte Demokraten, die auch Patrioten sind. Man kann hier auch den Wikipedia-Eintrag zu Thema empfehlen, in dem es ziemlich deutlich heisst:

Patriotismus wird heute allgemein von Nationalismus und Chauvinismus unterschieden, insofern Patrioten sich mit dem eigenen Land und Volk identifizieren, ohne dieses über andere zu stellen und andere Völker implizit abzuwerten.

Genau so sehe ich das auch. Ich für meinen Teil würde ich mich durchaus als Verfassungspatriot bezeichnen. Schwarz-Rot-Gold steht für mich nicht nur für unser Grundgesetz, in dem sich so wunderbare Sätze finden wie „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“, sondern Schwarz-Rot-Gold wird auch im selben Gesetz definiert. So heisst es in Artikel 22, Absatz 2: „Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold“.

Etwas geschichtliches und politisches Hintergrundwissen sollte beim Durchlaufen des schulischen Bildungswesens hängengeblieben sein — auch wenn man Mitglied bei den Grünen ist.

Patriotismus ist nicht Ausgrenzung. Zudem sollte man berücksichtigen, dass auch die Fahnen anderer Länder wehen (in Mühlheim an der Ruhr steht von deutsch-türkischen Fußballfans im Garten eine tolle Symbiose aus beiden Länder-Fahnen). Schließlich treten auch einzelnen Länder bei der WM mit ihren jeweiligen Mannschaften friedlich gegeneinander an. Das man seine Mannschaft anfeuert, ja dazu gehören eben auch die „Vereinsfarben“ und die Fahne des eigenen Vereins. Wie jedem anderen Spiel auch.

2 Kommentare

  1. Das sehe ich ganz genau so wie Du. Mir ist hier in der Nachbarschaft aufgefallen, dass zuerst eine französische Fahne am Balkon hing. Anschließend haben wir eine französische Fahne und zwei deutsche Fahnen an den Balkon gehangen. Erst danach fingen die Leute an, ihre Deutschlandfahnen anzubringen. Das war in den letzten 8 Jahren sonst ganz anders. Da hingen diese schon zwei Wochen vor dem ersten Fußballspiel. Verrückte Welt.

    Viele Grüße
    Sarah

    1. Franzosen und andere sind auch erheblich entspannter, was ihr Fahne angeht. Einzig die Schweizer sind etwas speziell, wenn man deren Fahne rechteckig im Programm hat. Das Original ist nämlich quadratisch…

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