Gerne, wirklich gerne verweist die SPD, wenn es um ihre Leistungen innerhalb der großen Koalition geht, auf durchgedrückte Reformprojekte. Dazu gehört zum Beispiel die Mietpreisbremse, mit der unfaire Mieterhöhungen der Vergangenheit angehören sollten. Sollten — Konjunktiv II. Tatsächlich sieht es nämlich anders aus. Die Schlagzeile mehren sich, in denen die Mietpreisbremse für gescheitert erklärt wird. Auch die Süddeutsche Zeitung berichtete mehrfach darüber. So müssen Vermieter unter anderem keine Sanktionen befürchten, wenn sie sich nicht an die Vorgaben halten.
Ein weiteres Vorzeigeprojekt der Sozialdemokraten ist der Mindestlohn — wobei von Anfang an klar war, dass die vereinbarten 8,50 pro Stunde nur ein Kompromiss mit dem Koalitionspartner sind und nicht etwa das, was Arbeitnehmer tatsächlich mindestens bekommen sollten. Man feiert sich obwohl man um die Ausnahmen weiss. Trotz Mindestlohn gibt es nach wie vor 1-Euro Jobs. Kein Problem für die Spitzengenossen, schließlich bekommen die Beschäftigten keinen Lohn, sondern lediglich eine Aufwandsentschädigung. Und es heisst ja Mindestlohn, nicht Mindesteinkommen.
Es gibt eine ganze Reihe Gründe, sich als Mitglied der SPD immer am Rand des Austritts zu fühlen. Wenn ein Mitglied der Führungsriege etwas verlautbaren lässt, fragt man sich jedes Mal, ob endlich die geistige Wende eingetreten ist oder ob einem erneut der Kaffee hoch kommt. Letztere passiert bei mir gestern, als ich im Tagesspiegel neues von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles las. Der Titel des Artikels „Nahles plant 80-Cent-Jobs für Flüchtlinge“. Als ob die 1-Euro Jobs nicht schon schlimm genug wären. Nein, man muss das auch noch unterbieten und den Hoffnungslosen Inländern etwas vor Augen führen, was noch hoffnungsloser ist — und gleichzeitig mit ihnen konkurriert.
Die billigsten Jobs für Flüchtlinge. Das sorgt nicht für Integration, sondern für Ausgrenzung und dient der Steigerung des Fremdenhasses. Dafür sollte sich jeder aufrechte Sozialdemokrat schämen. Möglicherweise hat Frau Nahles vergessen, in welcher Partei sie ist. AfD und SPD, drei Buchstaben am Ende ein D, da kann man schon mal durcheinander kommen. Natürlich ist Nahles SPD-Mitglied und wird es zu meinem Leidwesen auch bleiben. Das was sie da aber vorhat, wird für die AfD Wasser auf den Mühlen sein. Jobs für 80 Cent die Flüchtlinge wahrnehmen sollen, treibt noch mehr Wählerinnen und Wähler in die Arme der AfD, gerade aus dem Milieu derer, für die das Herz der SPD im besonderen Maße schlagen sollte. Die SPD wird noch weiter an Stimmen verlieren.
In der Gruppe „SPD in Facebook“ (ja, müsste vermutlich „auf“ heißen aber ich habe diese Gruppe nicht verbrochen) geht es seit gestern hoch her. Einer der ersten Kommentare zum verlinkten Artikel des Tagesspieles trifft de Nagel bereits gut auf den Kopf in Bezug auf die Genossen im Parteivorstand (Nahles gehört da ja mit zu):
Vielleicht sollte jemand denen mal ein Buch schenken „Geschichte der Sozialdemokratie“, gibt es sicher auch als Hörbuch.
Die Stimmung in der Gruppe tendiert stark in Richtung Ablehnung des Vorhabens. Soziale Gerechtigkeit wird abgeschafft, Einheimisch und Flüchtlinge zueinander in Konkurrenz gestellt.