Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Der Imi der keiner sein wollte

Köln ist die Stadt für spezielle Neigungen. Besonders eine sollte man haben, sofern man beabsichtigt, an diesen Teil des Rheines zu ziehen. Etwas lieben, was eigentlich total hässlich ist. Meine merkwürdige Beziehung zu Köln habe ich bereist hier im Blog an der einen oder anderen Stelle kundgetan — dafür auch Prügel bekommen, von waschechten Kölner, natürlich.

Damals, in der Provinz, genauer gesagt in Bielefeld, Ostwestfalen, kam mir Köln vor wie das Paradies. Rein auf das Wandern bezogen liegt man damit gar nicht so verkehrt. Köln ist ein guter Knotenpunkt. Mit anderen Worten: man kommt von hier schnell weg. Wer das Pech hat hier zu wohnen, muss aber irgendwann wieder zurück. Wie dem auch sei, Köln gefiel mir in den ersten Wochen als Neubürger gut. Die Rosa Brille saß noch fest und schließlich kann ein auf einen Familienstamm zurückblicken, der tatsächlich seinen Wurzeln in Köln hat. Mein Vater ist gebürtiger Ehrenfelder.

Mit der Zeit häuften sich aber die Merkwürdigkeiten. Kölner halten ihre Stadt ernsthaft für den Nabel der Welt. Dabei sieht die Domstadt aus, als hätte sie sich bei ihrer Geburt selber mit der Nabelschnur erdrosselt. Einer meiner Hauptkritikpunkte ist die enorme Gleichgültigkeit der Kölner (nicht zu verwechseln mit Gelassenheit). Gegen alles und jeden, und in besondere Weise auch gegenüber ihrer Stadt, die sie behaupten zu lieben.

An dieser Stelle steht es jedem zu, meinen Befindlichkeiten als Einzlemeinung abzutun, möglicherweise mir sogar Düsseldorfer Wurzeln anzudichten („Der kennt doch sicher jemanden der da wohnt, also ist er im Prinzip schon einer von denen“).

Traurig Wahrheit für Kölner und für mich ein Beleg, doch ein klein wenig hinter die Kölner Kulissen geschaut zu haben: es gibt auch andere, die mit Köln eine Art Hass-Liebe verbindet. Zum Beispiel der Falko Amadeus Rademacher, der aus Gründen der Vernunft mittlerweile in Berlin wohnt und eigentlich gebürtiger Bochumer ist. In Köln gilt man damit, egal was man sonst noch so anstellt, automatisch als Imi. Das steht nicht für Immigrant, sondern für Imitierter. Also Imitierter Kölner. Womit unterstellt wird, das wirklich jeder zu den Kölner aufschaut und unbedingt sein will wie sie. Hier am Rhein macht man sich die Welt halt gerne, wie sie einem gefällt.

Der Rademacher jedenfalls hat „Köln für Imis“ geschrieben. Angekommen inzwischen bei der 4. Auflage und dankenswerter Weise auch ausleihbar in der hiesigen Zentralbibliothek im Bereich „Feindliche Propaganda“ — gut das ist jetzt wirklich etwas übertrieben.

Natürlich herrscht in Dresden eine andere Lebensqualität als in Köln. Hier die Elbflorenz mit Semperoper, Zwinger, Fraunekirche, Museen und Elbsandsteingebirge — dort die verdreckte Großbaustelle vor den Toren des Phantasielandes.
Harald Schmidt

Der Leitfaden für die seltsamste Stadt von Rademacher hat es wirklich in sich. Keine leichte Kost für Kölner, alle anderen, mich eingeschlossen, amüsieren sich köstlich, auch wenn dem Buch mittlerweile eine aktuelle Note fehlt.
Historisch durch die neuere (politisch) Geschichte von Rademacher geführt zu werden, ist dennoch faszinierend, auch wenn einem manchmal die Flönz vom Vortag wieder hoch kommt angesichts der speziellen Kölner Verhältnisse. Oppenheim-Eschfond , Kölner Filz, Einkaufen für angehende Amokläufer, die Annexion von Porz und der Rhein als Grenze zum Ausgrenzen. Ein paar der vielen Stichwörter. Nicht zu vergessen Kölns ehemaliger Oberbürgermeister Fritz Schramma. Natürlich empfehle ich genau so wie Rademacher, Schramma nicht rückwärts zu lesen.

Um es abzukürzen, das Buch ist eine absolute Empfehlung, obwohl das letzte Kapitel über den Kölner Karneval deutlich schwächelt. Aber das kann man ja überblättern.

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