Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Es gibt Ideen, die zu verrückt klingen als das man wirklich glaubt, jemand würde sie in die Tat umsetzen. Seine Wohnung aufgeben, um das Leben in (vollen) Zügen genießen, so was klingt erstmal nach selbst gewählter Obdachlosigkeit, scheint aber mittlerweile zu eine Modeerscheinung zu werden.

In den über 15 Jahren, in denen ich regelmäßig pendle, rutscht auch mir öfter heraus, der ICE sei so was wie mein Wohnzimmer. Deswegen mag ich dort auch keine lauten Mitreisenden oder solche, die ihren Dreck verteilen. Ich verbringen viel Zeit in unterschiedlichen Zügen, kenne eine Menge unterschiedlicher Menschentypen, die dort anzutreffen sind — aber auf die Idee, wirklich im Zug zu wohnen, bin ich bisher nie gekommen. Und wenn ich ehrlich bin: an den Wochenenden bin ich ganz froh, einfach nur zu Hause in der Wohnung zu sitzen statt im Zug. Obwohl ich jahrelang bereits eine BahnCard 100 besitze, bin noch nie spontan nach München, Hamburg, Berlin oder sonst wo gefahren.

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es hat auch eine BahnCard 100…

Nun gut, es soll aber nicht um mich, den Stubenhocker, gehen, sondern um MC Rene alias René El Khazraje und sein Buch „Alles auf eine Karte: Wir sehen uns im Zug“. Zugegeben, das Buch ist von 2012 und schon etwas älter. Irgendjemand hat mir das als Lektüre geschenkt, weil er davon überzeugt war, das würde ganz gut passen und sei zudem witzig. Nach dem ich kürzlich das Ende des letzten Bandes von „Das Lied von Eis und Feuer“ erreichte, fiel mir der Rene wieder in die Hände. Die 272 Seiten zu lesen ist nach so einem Epos mehr eine Aufwärmübung. Entsprechend schnell war ich mit dem Buch fertig. Und das gleich in mehrfacher Hinsicht.

Von René El Khazraje wusste ich bisher nichts. Ich kannte weder seine Erfolge als Rapper noch habe ich ihn als Stand-Up-Comedian irgendwo auf einer Bühne gesehen. Aber das heisst ja erstmal nichts. Die Grundidee des Buchs (Weder Sachbuch noch Roman) ist recht schnell skizziert. Der Autor ließ sein bürgerliches Leben als Callcenter Mitarbeiter „Stefan Eckert“ hinter sich, um nach der beendeten Rapper-Kariere als Stand-Up-Comedian. El Khazraje kündigte seine Wohnung, um fortan unterwegs zu leben, bei Freunden und Bekannten und eben im Zug, dank der BahnCard 100. Die Kosten der Karte sollte durch die eingesparte Miete beglichen werden.

Soweit der Plan. Wirklich lustig ist das erstmal nicht — und auch nur wenig spannend. Die Art und Weise, wie El Khazraje schreibt, trägt viel dazu bei, eine ermüdende Langeweile aufkommen zu lassen. Die Episoden könnten möglicherweise lustig sein, er schafft es nicht mal, sein eigenes Programm, welches ihm schließlich zum Durchbruch verhalf, mitreißend zu beschreiben. Mit der Ironie ist es so eine Sache. Sie liegt nicht jedem und manchmal ist das, was ironisch wirken soll, maximal witzig — wenn überhaupt.

Was El Khazraje wirklich gut gelingt, ist Figuren im Buch so eindimensional zu beschreiben, dass man sie bequem unter den noch so kleinsten Türspalt hindurch schieben könnte. Was die Abenteuer mit der BahnCard 100 angeht, seine Erlebnisse im Zug, nun ja. Wer auch mit einer regulären Fahrkarte von Hamburg nach München fährt, könnte wesentlich mehr erzählen.

Immerhin, andere taten es MC Rene gleich, so wie die Studentin Leonie Müller. Ob das für das Buch spricht? Ich denke nicht.

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