Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Der Moderator im Radio kündigte für die nächsten Tage warmes Winterwetter an. Der Magen von Braun beruhigte sich langsam. Mehrfach rieb er sich die Müdigkeit aus dem Gesicht, eine eher zwecklose Geste. Ohne Kaffee kein Frühstück, wobei es zum ersten Mal morgens keinen Druck gab, pünktlich im Büro zu sein.

Wieder vollständig angekleidet schnappte sich Braun den Wohnungsschlüssel, kramte aus der Schale im Flur ein paar Münzen und Scheine zusammen die er sich in die Hosentasche stopfte und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Im Hausflur roch es nach angebrannten Rotkohl. Die Demente aus dem vierten Stock. Wieder ein Weihnachtsfest für sie, dass sie in noch in ihrer Wohnung verbringen konnte. Braun hatte den Streit zwischen ihr und ihrem Schwiegersohn oft genug mitbekommen. Man beschimpfte sich im Treppenhaus, auf der Straße und sogar vorm Supermarkt. Sie sollte ins Heim, wollte aber nicht.

Unten am Briefkasten stieß Braun mit der untergewichtigen Studentin aus der zweiten Etage zusammen. Nervös sammelte sie ihre Post wieder ein, noch bevor Braun sich bücken und ihr helfen konnte. An anderer Stelle hätte er ihr auch gerne geholfen, bisher blieben seine Zweideutigkeiten jedoch unbeantwortet von ihr. Das Zeug in der ökologisch korrekten Einkaufstasche wirkte auf Braun wie Kaninchenfutter. Immerhin brachte sie noch eine Entschuldigung hervor als Braun den Mantel mehr aus Gewohnheit denn aus Kälte hochschlug und auf den Bürgersteig trat.

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