Philipp Braun verlor seinen Kompass. Im Zeitalter von Smartphones mit Navigationssystemen würde so etwas wenig schmerzen, wenn es sich nicht um den inneren Kompass handeln würde, der ihm abhanden kam. An Brauns Hände klebte, auch wenn sich Flüssigkeiten in Farbe und Konsistenz ähnelten, kein Glühwein. Gerade eben hatte er aufgegeben die Blutung zu stoppen, die eine hässlich Bauchwunde verursachte. Immer noch auf seine Hände starrend wand sich Braun von dem ab, was auf dem Boden lag. Nur wenige Minuten zuvor war es noch ein lebendiger Mensch gewesen. Über den letzten Atemzug hinaus, der mehr ein Röcheln gewesen war, hatte Braun versucht zu helfen. Vergeblich.
Alles was er geglaubte hatte zu wissen, lag zusammen mit dem Toten am Boden. Verschwand wie das Leben selber aus diesem Menschen, den er nur flüchtig kannte. Eine zufällig Begegnung an der Bushaltestelle dachte Braun. Jemand, der wie Braun selber dem Trubel entfliehen wollte. Sie blieben die Einzige, die auf den Anschlussbus warteten, der auch nach Stunden nicht kam.
Mitten in einem Birkenwald, hinter sich die Leiche, die Hände voller Blut des Fremden, der behauptet hatte, unterwegs auf dem Jakobsweg zu sein. Mit leichtem Gepäck. Die Bäume standen fast grade. Schlank und blattlos, ein Meer weißer Stämme. Ein paar Schritte vor ihm lag ein Tümpel mit einer dünnen Eisschicht auf dem Wasser. Die letzten Strahlen der kraftlosen Wintersonne verschwanden am Horizont. Braun wusste nicht, wie viel Zeit ihm selber noch bleiben würde.