Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Eine Zigarette für Nichtraucher

Andere würden darin vielleicht ein Zeichen sehen. Meiner Meinung nach ist es eher Zufall, dass ich das Buch „Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt“ ausgerechnet in der Woche zu Ende gelesen bekommen, wenn in Berlin der SPD-Bundesparteitag stattfindet.

Das ich das Buch überhaupt zu Hand genommen haben, ist jedoch definitiv kein Zufall. Nach dem Tod von Helmut Schmidt habe ich mich daran erinnert, dieses Buch noch ungelesen im Regal liegen zu haben. Ein Geschenk zum Einzug vom Vater unserer Vermieterin — ein Sozialdemokrat wie meine Frau und ich auch. Es zu lesen war also längst überfällig.

MichaelFertig / Pixabay

Bevor ich auf das Buch zu sprechen komme, muss ich mich an dieser Stelle jedoch erstmal aufregen. In der SPD versucht man sicher gerade innerhalb der Führungsriege mit Helmut Schmidt zu brüsten. Ziemlich peinlich zeigt sich das in der aktuellen Ausgabe des Parteimagazins „vorwärts“. Dort schreibt zum Beispiel Sigmar Gabriel:

Bei unserer letzten Begegnung, vor wenigen Wochen, sagte er zu mir: „Ihr habt es schwerer als ich hatte. Ich würde dir helfen, wenn ich könnte.“
Gabriel bezieht sich hier auf Schmidt. Auch andere versuchen belegen, wie nahe sie dem Verstorbenen gestanden haben. Kann man machen, solange man daraus nicht eine Legitimation für etwas ableitet.

Wirklich unglaublich ist auch Gerhardt Schröder, der sich nicht zu schade gewesen ist, seinen Nachfolger als Parteichef, Sigmar Gabriel, mit dem verstorbenen Schmidt zu vergleichen. Erbärmlich so was, egal auf welcher Ebene sich der Vergleich bezieht.

Eigentlich wollte was zu Buch schreiben. Nun denn. Grundsätzlich hat es mir gefallen, beim lesen hatte ich auch immer Helmut Schmidt vor Augen. Durch seine Fragen gelang es Giovanni di Lorenzo trefflich, den Schmidt-Sound einzufangen. Bewusst wurde mir auch am Ende des Buchs, was mich an Schmidt beeindruckt hat. Er ist ein Mensch mit einer Haltung gewesen. Einer Haltung, die er auch beibehalten hat, wenn sie für andere unbequem gewesen ist. Haltung ist genau das, was man bei Menschen, die ihr Fähnchen in den Wind halten, so schmerzlich vermisst.

Gleichzeitig merkte ich aber auch bei einigen der Interviews, dass ich bei bestimmten Position Schmidt nicht folgen kann. Seine Überzeugung hinsichtlich der Atomenergie teile ich nicht, habe ich auch noch nie geteilt. Aber auch hier, es für mich keine Altersstarrheit, sondern Haltung, wenn Schmidt durchblicken lässt, auch nach Fukushima an seiner Überzeugung festzuhalten.

Deutlich wird beim lesen von „Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt“ auch, wie bescheiden Schmidt als Mensch gewesen ist. Symbolisch dafür steht das Reihenhaus, in der er bis zu letzt wohnte. Auch seine Belesenheit, sein Wissen in den Bereichen Kunst und Kultur beeindruckt. Im klassischen Sinne war Helmut Schmidt ein Bildungsbürger gewesen. Jene Sorte Mensch, die zunehmend ausstirbt.

Fazit: Das Buch kann ich empfehlen. Was die Partei angeht — nun ja.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner