Wenn die Tage kürzer werden, die besinnlichen Feiertage wie Allerheiligen an einem vorbeiziehen, hegt man die Hoffnung auf etwas mehr Verstand und Menschlichkeit in dieser Welt. Im Umgang mit Herausforderungen gibt es grundsätzlich verschiedene Ansätze.
Für manche Menschen sind das lediglich Probleme, die man bar jeder Herzensgüte notfalls mit Einsatz von Schusswaffen lösen kann — oder gar nicht lösen will, weil es sich so schön surft auf der Welle des empfundenen Populismus. Einer dieser Menschen ist Marcus Pretzell, Landesvorsitzende der nordrhein-westfälische AfD. Für ihn ist der Gebrauch von Schusswaffen als „Ultima Ratio“ geboten, wenn es dazu dient, Flüchtlinge an einen „gewaltsamen“ Grenzübertritt zu hindern.
Meine ersten spontanen Gedanken zu seinen Äußerungen sind an dieser Stelle nicht zitierfähig. Pretzell betrachtet die Verteidigung der Grenze mit Waffengewalt als „Selbstverständlichkeit“. Zu unserem aller Glück gab es in der Geschichte immer wieder Menschen, die das nicht als Selbstverständlichkeit angesehen haben. Gerade im November, gerade mit Blick auf die jüngere deutsche Geschichte und den am Wochenende verstorbene Günter Schabowski kann man sagen: manchmal siegen doch Vernunft und Menschlichkeit.
Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich —
Günter Schabowski
Manchmal zeigt sich Größe auch jenseits eines Zitats. Als Einziger der damaligen Machthaber in der DDR gestand er nach deren Fall eine Mitschuld an den Mauertoten ein. Die Süddeutsche Zeitung zitiert ihn in diesem Zusammenhang heute wie folgt:
Nichts könne rechtfertigen, dass auch nur ein einziger Flüchtling, „der uns den Rücken kehren wollte, dafür mit dem Leben bezahlen musste“, sagte Schabowski
Und damit ist man dann wieder bei Pretzell, der auf Flüchtlinge schießen, sie mit ihrem Leben bezahlen lassen will. Der Gebraucht der Waffe zum Schutz der eigenen Grenze, nur diesmal in die andere Richtung. Ich möchte mir nicht vorstellen, welcher Soldat, welcher Polizist es über das Herz bringt auf, Frauen, Männer, Kinder zu schießen. Allein der Gedanke macht mir Angst.
Ein Trost ist für mich das, was Heiner Geißler, ehemaliger CDU-Generalsekretär, von sich gibt. Für ihn ist Nächstenliebe keine Gefühlsduselei. Angesichts der Äußerungen der CSU zum Thema Flüchtlinge, spricht er von einem christlichen Menschenbild. Genau das gehe der CSU verloren, weswegen er ihr empfiehlt, besser auf das C in ihrem Namen zu verzichten. Schutzbedürftigen muss geholfen werden. Wer das anders sieht, kann sich reinen Herzens nicht mehr Christ nennen. Und Humanist ist er auch nicht, sondern ein menschenverachtender Egozentriker.