In den 80er Jahren war so einiges anders. Den Begriff „besser“ sollte man allerdings, gerade auch im Hinblick auf die Frisuren der Zeit, nicht verwenden. Also eben anders. Und manchmal sogar bewundernswert gut.
Vor ein paar Monaten bekam ich von meinem Vater einen ganzen Schwung alter Köln Krimis geschenkt. Erst lagen sie nur herum im Regal, dann brauchte ich für eine Wanderung etwas robustes, frei von Elektronik. Statt was neu zu kaufen, fielen mir dann die alten Krimis wieder in die Hände. Zunächst nahm ich mir „Tödlicher Klüngel“ (1984) von Christoph Gottwald vor, dann den Nachfolger „Lebenslänglich Pizza“ (1986). Der zweite Fall für Manni, die Hauptfigur, welche Gottwald bildreich wie folgt beschreibt:
Er sah aus, wie der Drittletzte beim James-Dean-Wettbewerb in Wanne-Eickel
aus: „Lebenslänglich Pizza“ von Christoph Gottwald
Sprachlich übertrifft sich Gottwald im zweiten Band noch mal selber. Was spätere Autoren nur mühsam hinbekommen, den lokalen Bezug ihres Krimis, schüttelt Gottwald wie aus dem Ärmel. Das Milieu ist glaubhaft, plastisch. Mir persönlich gefällt der Stil, der sich in Sätzen wie diesen zeigt:
Bettenhaus, Uni-Klinik. So überschaubar wie C&A am ersten Tag des Sommerschlußverkaufs.
aus: „Lebenslänglich Pizza“ von Christoph Gottwald
In beiden Krimis geht es nicht um das ganze große Ding, kein Serienmörder, keine Altnazis oder Psycho-Killer — manchen aktuelle Autoren können es scheinbar nicht mehr drunter machen. Es sind mehr die kleinen Fälle, manchmal geht es sogar glimpflich mit ganz wenigen Leichen aus. Dadurch wirken die Fälle glaubhafter, näher an der Realität dran, wo oft eine gute Absicht furchtbar schief geht und dann eins zum anderen kommt.
Gerade mit „Lebenslänglich Pizza“ zeigt Christoph Gottwald, was ein Krimi leisten kann, der sich eben nicht um Spurensicherung, Gerichtsmedizin und Polizeiarbeit dreht. Es ist kein Deutschaufsatz über den Alltag eines Kriminalbeamten, sondern gut, gut geschriebene Unterhaltung mit liebenswerten Figuren.
Die Figuren in den Vordergrund stellen, ohne daraus eine künstlich wirkende Hintergrundgeschichte zu machen. Das ist Kunst. Dazu gehört Mut und vielleicht ist es auch der Entstehungszeit geschuldet. Heute hätte ein Krimi wie der von Gottwald deutlich schwerer. Weil sich die Lesesgewohnheiten und Erwartungen geändert haben beziehungsweise weil Verleger solches behaupten.
Unabhängig davon, ob „Lebenslänglich Pizza“ aus der Zeit gefallen ist oder nicht, es ist ein lesenswerter Krimi. Einen, den man auch ein Stück weit als Quelle der Inspiration betrachten kann.
Er machte die letzte Dose Bier auf und wählte die Nummer der Familie Sandini. Der Toaster grinste.
aus: „Lebenslänglich Pizza“ von Christoph Gottwald
Mir gefällt das, würde ich auch so schreiben, nur um dann die Frage um die Ohren gehauen zu bekommen, wie es denn sei kann, dass ein Toaster grinse. Ohne Phantasie sollte man eher keine Krimis, keine Bücher, höchstens Sachbücher schreiben.
Wer mal wieder einen handwerklichen guten Krimi lesen will, dem kann ich nur empfehlen, ins nächste Antiquariat zu stürmen und nach den Bücher von Christoph Gottwald Ausschau zu halten. Gerüchten zu Folge gibt es die Krimis auch in Amazonien für einen Cent. Mehr kann für sein Geld kaum bekommen.