Über Geschmack lässt sich angeblich streiten. Tatsächlich ist der Spruch großer Humbug. Ein verkohltes Würstchen ist verkohlt und schmeckt auch so. Darüber muss man sich nicht streiten. Im Gegenteil, wenn es bei einem Grillabend einen Anwesende gibt, dem die verbrannten Dinger schmecken, muss man wenigstens nichts wegwerfen.
Nur auf den ersten Blick scheint das, was bei den Würstchen so eindeutig ist, auf anderen Gebiete nicht übertragbar zu sein. Zum Beispiel auf Bücher. Wäre Geschmack tatsächlich etwas absolut subjektives, wären Literaturkritiker Denis Scheck mit seiner Sendung druckfrisch völlig überflüssig. Da sie aber eine hervorragende Orientierung im Dschungel der Neuerscheinungen ermöglichen, gibt es wohl doch mindestens ein paar Kriterien des guten Geschmacks, auf welche man sich einigen kann. Kein Kriterium dagegen ist der angebliche Massensgeschmack. Auch wenn sich das Buch „Fifty Shades of Grey“ extrem gut verkauft, heisst das noch gar nichts. Es ist keine Aussage über dessen (literarische) Qualität, genauso wenig, wie tausende von Kunden bei McDonalds ein Indiz für kulinarische Exzellenz des Systemgastronomen wären.
Was für Bücher insgesamt gilt, trifft eben auch auf die so genannten Genre-Romane zu. Wer bereits in der Lage ist, mehr als nur die Fernsehzeitung zu lesen, wird bei Fantasy-Romanen deutliche Unterschiede feststellen. Wobei in der Welt der Bücher mehre Ebenen gibt, die zu betrachten sind. Ein wirklich gutes Buch zeichnet sich durch die Einheit von sprachlicher Ausdrucksform und stimmiger Handlung aus. In der deutschen Übersetzung ist „Das Lied von Eis und Feuer“ unbestreitbar schlecht geschrieben. Der Handlung selber tut das keinen Abbruch — und meiner persönlichen These zu folge ist die Verfilmung das Beste, was der Romanvorlage passieren konnte.
Der Titel versprach „gute Krimis schreiben“. Und bisher noch kein Wort zu Krimis. Nun, ändern wir das. Derzeit lese ich viel parallel, was hauptsächlich daran liegt, dass ich mich durch bereits erwähntes „Lied von Eis und Feuer“ kämpfe. Als eBook, damit man sich im Zug solch Werk lesend nicht schämen muss. Das ist wieder die Sache mit dem guten Geschmack, genau so, wie man ab einem gewissen Alter nur ungern von Freunden oder Bekannten bei McDonalds essend gesehen werden möchte.
Zu Hause liegt ein kleiner Stapel von Krimis, die mir mein Vater vor ein paar Monaten überließ. Ältere Köln-Krimis. An dieser Stelle wird es, aufgepasst, wirklich spannend. Man könnte annehmen, dass Krimis, auf denen noch ein Preis in DM aufgedruckt ist, mindestens angestaubt, wenn nicht sogar lächerlich sind. Neu, modern, besser. Aber falsch. Diese Annahme ist genauso wenig richtig wie die, Kafka würde durch neuere literarische Werke zu einem Provinz-Schreiber schrumpfen. Auch bei Genre-Romanen gibt es Werke, die durchaus überdauern können, selbst dann, wenn sie ursprünglich zur kurzweiligen Unterhaltung gedacht waren.
Die Kunst bei einem guten Krimi ist, sein Handwerk zu beherrschen. Das besteht nun mal daraus, eine glaubwürdige Handlung spannend zu erzählen, den Leser zu unterhalten und am Ende zu überraschen. Und zwar so zu überraschen, dass er dem Autor die Wendung abkauft und als einzige logische Lösung akzeptiert.
Allgemeiner Geschmack bei Krimis bedeutet momentan viele Polizeiermittler Krimis, personale Perspektive, möglicherweise sogar innerhalb der Handlung wechselnd. Überraschend war für mich daher „Killer“ von Martin Schüller. Durchgehend Ich-Perspektive — aus der Sicht des Killers. Die Handlung wirkt von vorne bis hinten durchkomponiert, was weniger verwundert, wenn man Biographie von Schüller zur Hand nimmt. Es heißt, er sei über die Musik zum schreiben gekommen. Ganz ehrlich, das merkt man deutlich.
Es lohnt sich ganz offensichtlich, ältere (Köln)Krimis zur Hand zu nehmen. Als Leser, um sie zu genießen und als Autor, um davon zu lernen. Das „Killer“ ein gutes Buch, ein guter Krimi ist, darüber muss nicht gestritten werden. Es ist einfach so. Objektiv eine Frage des Geschmacks. Wer dagegen keinen hat, für den ist es einerlei, was er liest.