Das Thema „Flüchtlinge“ beschäftigt mich diese Woche intensiv. Neben den Anschlägen und dem Hass gibt es zum Glück auch eine Welle der Solidarität, die durch die anhaltenden Medienberichte ausgelöst wurde. Verhindert werden konnte damit leider nicht der tragische Tod von über 70 Flüchtlingen auf einer Autobahn im Burgenland (Österreich).
Die Menschen erstickten vermutlich in dem LKW, in dessen Laderaum ihre Leichen gefunden wurden. Es ist davon auszugehen, dass Schlepper versucht haben, die Flüchtlinge illegal über die Grenze zu bringen. Die im Laderaum eingesperrten Menschen hatten dabei jeder für sich so viel Platz wie zwei nebeneinander gelegte DIN-A4 Blätter. Und das über Stunden. Das ist in meinen Augen nicht fahrlässig, sondern vorsätzliche Tötung.
Zurück aber zur Solidarität und Hilfsbereitschaft. Je intensiver ich mich mit dem Thema auseinandersetze (und ehrlich, ich finde die begriffliche Unterscheidung zwischen Flüchtling, Asylsuchenden und ähnliches peinlich so wie die Diskussion darüber überflüssig —für mich sind es alles Menschen, die in ihrer Not unserer Hilfe bedürfen), desto mehr Fragen tauchen auf.
Zunehmen bekomme ich auch den Eindruck von einem Staat, der dabei ist im großen Stil zu versagen. Ursache dafür sind Politiker, die sich von Fehlentscheidung zu Fehlentscheidung hangeln. offenbar ist nach wie vor auch unbekannt, dass das Gegenteil von „gut gemacht“ „gut gemeint“ ist.
Holen wir etwas aus um meine Behauptung zu untermauern. Schulpolitik ist nach wie vor für mich etwas, mit dem ich mich beschäftige, aus mehreren Gründen. Was im Arbeitsfeld Schule passiert, bekomme ich beim Abendessen zu hören. So wurde mir diese Woche zugetragen, wie es in Nordrhein-Westfalen um die Gymnasien bestellt ist. In NRW fehlen rund 1.000 Gymnasiallehrer, was Schulministerin Löhrmann auf Anfrage des Philologenverbands zugab. Geeignet Lehrkräfte wären vorhanden, es werden allerdings auf Grund von Einsparungen keine eingestellt.
Was hat das mit dem Thema Flüchtlinge zu tun? Kommt gleich, einen Moment bitte noch. Wir alle wissen, wie mangelhaft die politische gewollte Inklusion in den Schulen (auch in NRW) umgesetzt wurde. Die Ursache hierfür liegen sowohl im finanziellen als auch in der fehlenden Qualifikation des Lehrpersonals. Was früher Fachkräfte an spezialisierten Schulen geleistet haben, sollen plötzlich normale Lehrkräfte im Unterricht stemmen. Ohne das sie dafür ausgebildet wurden, ohne das sich ihre Bezahlung verändert oder das zusätzliches Personal für eine angemessene Betreuung eingestellt wurde.
So also die Ausgangssituation zum Beispiel in einer achten Klasse mit 30 Kindern an einem Gymnasium irgendwo in Nordrhein-Westfalen. On top kommen dann seit diesem Schuljahr in dieser Klasse drei Flüchtlingskinder, von denen zwei kein Wort Deutsch verstehen. Eins davon kann etwas Englisch. Der Unterricht muss bilingual erfolgen, auch wenn davon niemand profitiert — und bilingual eigentlich von Lehrkräften mit entsprechend Qualifikation für die zusätzliche Sprache erteilt werden sollte.
Für die Kinder in der Klasse ist das alles andere als einfach. Unter den Flüchtlingen aus unterschiedlichen Herkunftsländern ist ein Junge, der ein halbes Jahr ohne Sonnenlicht im Keller gelebt hat. Ein anderer musste mit ansehen, wie sein ganzes Dorf abgeschlachtet wurde. Hochtraumatisiert steckt man diese Kinder einfach in eine deutsche Schule. Das ist keine Hilfe, im Gegenteil!
Der Oberbürgermeister von Erfurt forderte, die Flüchtlingskinder nicht mehr zur Schule zu schicken. Besonders geschickt formulierte er es leider nicht, auch zeigte er keine tragfähige Alternative auf. Eine einfach Aussetzen der Schulpflicht ist keine Lösung. Überhaupt in diesem Zusammenhang von Schulpflicht zu reden ist, mit Verlaub, ziemlich pervers.
Zunächst sollte unvoreingenommen geprüft werden, ob die Flüchtlingskinder wirklich vom Kontakt zu Schülerinnen und Schüler aus Deutschland profitieren oder nicht. Meiner Meinung nach ist das der Fall, aber wie gesagt, es sollte geprüft werden. Und zwar nicht von Politikern, sondern von Wissenschaftlern. Pädagogen, Psychologen und andere können es besser beurteilen als Juristen.
Beim positiven Ergebnis ist es erforderlich, zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Ebenso wie ein Begleitprogramm, Die Flüchtlingskinder benötigen therapeutische Hilfe, zusätzliche Förderung. Am besten einen Schulpaten, der ihnen zu Seite steht. Das können auch gleichaltrige Schülerinnen und Schüler sein. Die Klassen sollte sorgfältige ausgewählt und vorbereitet werden mit einer eigenen Unterrichtsreihe zum Thema Flucht und Vertreibung.
Berücksichtigt werden muss meiner Meinung nach auch die Schulform (da wir in Deutschland nach wie vor zu dämlich sind, eine Schule für alle Kinder verbindlich einzuführen). Das macht Arbeit, weil jemand beurteilen muss, ob ein Junge aus Eritrea auf eine Hauptschule gehen soll oder auf einem Gymnasium besser aufgehoben ist. Die Verteilung einfach nach einem Schlüssel, wie viel Kapazitäten die Schulen noch haben, ist falsch.