Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Wer schon mal eine Medikamentepackung in der Hand hatte, kennt ihn bestimmt, den Beipackzettel. Der Hersteller informiert nicht nur über Art und Häufigkeit der Anwendung, sondern warnt damit auch vor Risiken und Nebenwirkungen. Für Beziehung gibt es so was nicht.

Beim Standesamt, sofern man heiratet, sind die Informationen auch eher spärlich. Seitenweise Kleingedrucktes wird man genau so wenig finden wie eine Bedienungsanleitung für den Partner. Wie es sich entwickelt, kommt ganz auf die beiden Menschen an, welche sich zum zusammenleben entschlossen haben. Je länger eine Beziehung dauert, desto mehr Spuren hinterlässt sie. Niemand ist nach ein paar Monaten, gar Jahren noch der selbe Mensch, der er vorher war.

Kartoffel, selber geerntet

Kartoffel, selber geerntet

In Beziehung, die nicht funktionieren, sammeln sich die Verletzungen und Narben an, man verbittert, trennt sich möglicherweise wieder — nur um sich dann wieder in ein neues Abenteuer mit unbekannten Ausgang zu stürzen.

Die andere Beziehung, die guten, dagegen führen zu einer Veränderung. Man passt sich aneinander an, teilt Vorlieben und Abneigungen miteinander und wird, wenn alles gut läuft, gemeinsam wachsen. Der Partner gleichsam als Motor zur Persönlichkeitsentwicklung.

Im nächsten Monat werden es sechzehn Jahre, die meine Frau und ich verheiratet sind. Jahre die uns verändert, weitergebracht haben. Wir haben dabei, so meine ich, viel voneinander gelernt.

Ziemlich gut erinnere ich mich noch an die Anfänge unserer Beziehung, das erste Spiel, welches wir gegeneinander spielten (nebenbei: beim spielen kann man viel übereinander erfahren). Nach etwa 50 Partien Invers gab sich meine spätere Frau geschlagen. Keine einzige davon hatte sie gewonnen, die Stimmung im Wohnzimmer war entsprechend nicht mehr ganz so gut. Wir haben das beide überstanden. Mit den Jahren und dem Brettspielen, die wir spielten, wurde meine Frau stärker und besser. Mittlerweile habe ich mitunter nur eine kleine Chance, einen Sieg davon zu tragen. Dabei ist es gleich, ob wir nur zu zweit spielen oder mit anderen.

Während meine Frau strategisch besser geworden ist, ihre Taktiken ausfeilt, habe ich auch einiges dazu gelernt in Bezug auf meine Spielweise. Aggressive und impulsive Spielzüge führen nur dazu, eine offene Flanke zu bieten, in die der Gegner einfallen kann — zumindest bei mir ist das regelmäßig der Fall. Geduldig sein, abwarten und dann eine günstige Gelegenheit nutzen. Insbesondere die Sache mit der Geduld war früher nie mein Ding.

Wirklich in Erstaunen versetzen kann ich meine Frau noch jenseits der Spielbretter (die für uns ein Stück weit die Welt bedeuten), draußen in der Natur. Auch wenn sie Lehrerin für Biologie und Informatik ist, mit dem was wächst kenne ich mich aus. Schon vor dem Kindergarten wusste ich, was ein Wallnussbaum ist, wie seine Blätter riechen und die Nüsse schmecken. Kartoffeln kannte ich nicht nur aus dem Supermarkt, sondern wir haben zu Hause in unserem großen Garten auch selber welche angebaut und geerntet. Frische Kartoffeln im Feuer des Kartoffellaubs, eine herrliche Kindheitserinnerung.

Bei der vorletzten Wanderung, kurz vor Koblenz, konnte ich entsprechend nicht widerstehen. Als wir an einem Kartoffelfeld vorbei kamen (so was kannte meine Frau noch nicht), musste ich ihr unbedingt zeigen, wie Kartoffeln aussehen, wenn man sie frisch aus der Erde zieht. Man teilt seine Erfahrungen.

Freilich, die einleitende Frage ist damit noch nicht beantwortet. Sowohl meine Frau und ich sind andere Menschen als vor 20 Jahren. Gerade aber auf Grund der gemeinsamen Zeit würde ich ein dickes „JA, mehr denn je“ als Antwort geben.

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