Die WWDC 2015 Keynote gestern war wohl für Menschen wie mich, die in Bezug auf Aufmerksamkeit bei Bewegbildern eher im Serienformat angekommen, eine Herausforderung. Üblicherweise schalte ich nach spätestens 57 Minuten geistig einfach ab. Ein Keynote, die 2:30 Stunden dauert, kommt schon fast an eine der Ring-Verfilmungen heran. Nach solcher einer Tortur stellt sich selbstverständlich die Frage, ob sich das Ganze denn auch gelohnt hat.
Nun ja. Als Antwort etwas knapp, ich weiss. Darum versuche ich das an im folgenden ausführlicher. Der Film am Anfang zu Einstimmung war recht ansehnlich, sogar witzig. Aber für so was setzt man sich ja nicht vor ein Ausgabegerät, wenn es um Apple-Produkte gehen soll. Tim Cook trat auf die Bühne und kündigte zunächst eine Dreiteilung an. Es sollte um Mac OS X, iOS und watchOS gehen. Meine Bingo-Zettel mit Wörtern wie „amazing“, „incredible“, „enormous“ vergas ich leider auszudrucken.
Craig Federighi stellte die Neuerungen bei Mac OS vor. Zunächst aber den neuen Namen. Nach Yosemite kommt OS X El Capitan, ein rund 1.000 Meter hoher Monolith im Yosemite-Nationalpark. Passend fände ich, als Junta und Tropico Spieler, ja eher „El Presidente“. Bei Apple hätte das aber Assoziationen hervorgerufen, die unter Umständen ganz nah an der Wirklichkeit liegen. Die meisten Feature rauschten an mir vorbei. Nette Verbesserungen, aber nichts, was meinen täglichen Workflow wirklich einschneiden verbessern wird. Bis auf ein Feature. Endlich, endlich wird es auch in Safari die Möglichkeit geben, ein Browser-Tab festzupinnen — ist ja nicht so, dass es dieses Feature nicht schon seit Jahren in Chrome geben würde. Aus Gründe nutze ich allerdings gerne Safari. Bingo! Das Feature wurde natürlich auch als „amazing“ vorgestellt.
Split Screen sieht ganz nett aus, die Praxis wird dann zeigen, ob es Tools von Dritt-Anbieter überflüssig machen wird. Einen zweiten Bildschirm ersetzen wird es in jedem Fall nicht.
Neuerung in iOS sind immer willkommen. Wenn man wie ich Siri jedoch kaum nutzt, bringen Erweiterung beim Apples digitaler Assistenz einem gar nichts. Anders sieht es hingegen bei QuickType aus. Die Möglichkeit, mit zwei Finger auf der Tastatur einen Cursor zu steuern, der auch die Auswahl von Textbereichen ermöglicht, ist eine enorme Erleichterung — und für mich ein Grund, noch mehr als bisher mit dem iPad zu schreiben. Die unter dem Oberbegriff „Multitasking“ vorgestellten Möglichkeiten würde sogar ich als wirklich „amazing“ bezeichnen — wenn ich nicht wüsste, dass andere Tablets das schon länger können. Aber für iPad Air 2 (auf dem es wohl am besten laufen wird) ein großer Wurf. Zumindest dann, wenn möglichst viele Apps Split View unterstützen werden.
Was ich hasse: wenn durch das OS Apps auf meinen Geräten installiert werden, die ich weder brauche noch will — und auch nicht löschen kann. Apple nennt seine eigene Flipboard-Version richtig originell „News“. Mehr muss man schon gar nicht wissen, um das unsympathisch zu finden. Bei allem, was in Richtung RSS-Feeds geht, bevorzuge ich eine Lösung auf eigenem Server und die Freiheit, den Reader dazu selber wählen zu können. Anmelden als so genannter „News Publisher“ werde ich mich wohl dennoch.
Beim gesamten Block watchOS bin ich geistig in den Ruhemodus gegangen, während meiner Frau neben mir auf dem Sofa zusammen mit ihr Apple watch aufmerksam die Neuerungen verfolgte. Nein, ich werde mir wohl auch aus absehbare Zeit keine Uhr kaufen, die nach meiner Meinung nach tothässlich ist. Wenn Smartwatch, dann wird es eine Uhr von Garmin sein. Aber auch das steht nicht zur Debatte.
Zum Schluss gab es dann, „one more thing“. Apple Music. Auch hier erfand man das Rad nicht neu, sondern orientierte sich an dem, was es im Bereich streaming music bereits auf dem Markt tummelt. Daher musste man sich wohl auch mit „handgeschöpften“ Playlisten von den Mitbewerben abgrenzen. Eine Konkurrenz zu Spotify kann ich nicht auf den ersten Blick erkennen. Apple Music ist ein Stück anders, klar. Aber wird es auch die Vielfalt bieten, die ich als Nutzer von Spotify gewohnt bin? Ende des Monats kann man für neun Wochen lang kostenlos den Vergleich wagen. Kriegsentscheidend wäre in jedem Fall, ob sonos Apple Music unterstützend wird und zwar so, dass ich die Musik nicht lediglich via Airplay übertragen, sondern von Appel direkt auf das sonsos System gespielt wird. Von sonos selber gibt es bereits die Aussage, dass man zwar nicht direkt beim Start etwas anbieten kann, aber auf jeden Fall an etwas arbeite. Man darf also überrascht sein.
Vergessen bei meiner Auflistung hätte ich fast noch Apples Programmiersprache. Die wird jetzt Open Source. Großartig. Wenn man sein fertiges Programm über den App Store verkaufen will, muss man trotzdem brav seine 99 Euro Jahresbeitrag zahlen. Immerhin, auch eine Neuerung, nur noch einmal für alle OS-Version noch einmal.