Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Wohl die meisten von uns haben als Baby einen Schnulle gehabt. Diejenigen, den man den „Schnulli“ zu spät wegnahm, haben vermutlich teilweise schiefe Zähne. Wer dagegen zu früh entwöhnt wurde, musste sich später das Daumenlutschen oder Rauchen abgewöhnen. Wobei letzteres immer noch weniger auffällig ist als Daumen zu lutschen. Auf den Bahnhöfen gibt es dafür auch keinen gesonderten Bereich.

Wie dem auch sei, für Eltern ist der Schnuller auch immer schon ein probates Mittel gewesen, den kleinen Schreihals ruhig zu stellen. Schnuller rein, Baby leise und glücklich. Es lassen sich ganze Dramen darüber schreiben, was passiert, wenn so ein Schnuller verloren ging. Mir wurde lange Zeit die Geschichte erzählt, wie ich mich im entsprechenden Alter bei so einem Vorfall verhalten haben soll. Nach einem Besuch in Köln auf der Rückfahrt nach Wesel fehlte der Schnuller. Ich hätte das ganze Auto zusammen gebrüllt, so dass man umkehren und den verdammten Schnuller wieder in Besitz bringen musste.

nvtrlab / Pixabay

Heutzutage bauen kluge Eltern solchen Fällen vor, in dem es mindestens einen Ersatzschnuller gibt. Zudem lassen sich die Stöpsel auch am Lätzchen oder Strampler befestigen, so dass es etwas schwieriger wird, den Schnuller einfach zu verlieren.

Aber eigentlich wollte ich gar nicht über Schnuller schreiben, sondern über eine andere Art Ruhigsteller. Einen, den man immer öfter sieht. Eltern haben ihn ständig dabei, wird der Nachwuchs unruhig, drückt man ihm den in die Hand und schon ist kehrt Frieden ein. Zumindest sol lange, wie der Akku hält oder das Smartphone zu Boden fällt. Das Smartphone also für alle diejenigen, die der Schnullerphase entwachsen sind.

Pädagogisch finde ich das ziemlich fragwürdig. Klar, es ist bequem, seinem Kind ein Spiel auf dem Smartphone zu geben, es darauf ein Video schauen zu lassen oder sonst wie mit dem Ding zu beschäftigen. Genau so bequem war es schon zu meiner Kindheit für Eltern, die Kinder einfach vor den Fernseher zu setzen. Trotzdem war es zu Recht verpönt.

Ein Smartphone ist alles andere als ein adäquater Ersatz dafür, sich als Erziehungsberechtigter mit dem Kind zu beschäftigen, seine Phantasie anzuregen und für ein Erleben mit allen Sinnen zu sorgen. Das Eintauchen in virtuelle Welt, insbesondere vor dem Erwerb der Lesefähigkeit halte ich persönlich für eher schädlich als förderlich. Es bringt den Kindern auch keine Medienkompetenz näher, wenn man sie mit einem Smartphone ruhigstellt. Wenn Kinder damit umgehen sollen, dann immer nur angeleitet. „Unter Aufsicht“ heisst in dem Fall nicht, dem Kind das Smartphone in die Hand zu drücken, während man selber zwar daneben sitz, aber mit etwas völlig anderem beschäftigt ist (alles schon erlebt).

Nicht das ich falsch verstanden werde: ich bin alles anderes als technikfeindlich. Aber alles zu seiner Zeit, in kleinen Schritten und mit Absprachen, Grenzen. Wer seinem dreijährigen Kind ein Smartphone in die Hände drückt, damit es Ruhe gibt sollte sich fragen, aber dem Kind auch Alkohol geben würde, damit es endlich still ist. Beides sorgt nämlich für eine mehr oder weniger ausgeprägte Abhängigkeit bei Dauerkonsum. Bei Smartphones lässt sich das sehr gut auch bei Erwachsenen beobachten. Man muss nur öffentliche Plätze oder Verkehrsmittel aufsuchen und die Menschen zählen, die auf ihr Was-auch-immer Phone schauen und ihre Umwelt ausblenden. Verlernt wird dabei das Warten, das einfach mal untätig sein.

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