Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Es gibt Tage wie gestern, da bereue ich ein Stück weit, derzeit keine lokale Zeitung mehr zu lesen. Täte ich es, wäre mir wohl möglich eine Vorwarnung zuteil geworden. Immerhin, dank Twitter und Facebook erfuhr ich gestern bereits von der Neuauszählung des Kölner Stimmbezirks Rodenkirchen und nicht erst heute Morgen die der Süddeutsche Zeitung beziehungsweise von Zeit Online. Ja, wieder einmal hat es Köln geschafft, überregional Aufmerksamkeit zu erregen — was in diesem Fall besonders bedauerlich ist.

Bereits im Sommer letzten Jahres, nach der Kommunalwahl in Köln, kam der Verdacht auf, dass die Stimmen bei den Briefwähler, die auf CDU und SPD entfielen, vertauscht worden seien. Zu stark war die Abweichung von den früheren Wahlergebnissen in Rodenkirchen. Wenig sprach dagegen, viel dafür, die fraglichen Stimmen neu auszuzählen. Allen voran die SPD in Köln, flankiert von SPD-Politikern des Landes Nordrhein-Westfalen, vertrat die Meinung, alles sei mit rechten Dingen zugegangen und es solle auf gar keinen Fall neu ausgezählt werden. Der Fall beschäftigte dann in den letzten Monaten mehrere Gerichte.

Letzten Endes entschied das Verwaltungsgericht Köln nach Anrufung durch die CDU, dass die Stimmen neu auszuzählen sein. Diese Neuauszählung fand gestern statt. Der Verdacht, es sei ein Fehler unterlaufen, bestätigte sich. Wie sich zeigte, waren die Stimmen von SPD und CDU bei der Briefwahl tatsächlich vertauscht.

Damit verliert Jochen Ott, Kandidat der SPD um das Amt des Oberbürgermeisters, seinen Sitz im Rat der Stadt. Die SPD in Köln hat sich wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Sie verliert nicht nur einen Sitz, sondern auch einiges an Ansehen in der Domstadt, während sich die CDU als Wah­re­rin der Demokratie aufführen kann.

Als wäre das nicht alles bereits schlimm genug, zeigt sich die SPD in Köln uneinsichtig, verhält sich trotzig. So wurde nach der Neuauszählung eine Pressemitteilung mit folgendem Wortlaut verschickt:

Das Ergebnis der Neuauszählung im Rodenkirchener Briefwahlbezirk 20874 steht nunmehr fest und damit auch die endgültige Sitzverteilung im Rat der Stadt Köln: Die SPD verbessert sich im Vergleich zur letzten Ratsperiode um 1,4 % und wird mit nun 26 Sitzen erstmals seit 1994 wieder mitgliederstärkste Fraktion. Quelle: Presseinformation der Köln-SPD vom 19.05.2015

Chuzpe ist hier wohl der richtige Begriff. Angebracht wäre es meiner Meinung nach, einfach mal die Niederlage einzugestehen. Vor allem aber sollte sich die Kölner SPD für die Verhinderungsversuche der Neuauszählung entschuldigen — ernsthaft. Es sei denn, sie hält die Menschen in Köln für mindestens vergesslich.

Es ist diese Art des politischen Stils und Selbstverständnis, die mich erschreckt. Wer so handelt, trägt Mitschuld an der sogenannten Politikverdrossenheit der Menschen. Für die Oberbürgermeisterwahl in Köln im Herbst ist es ein falsches Signal, wenn man als Parole „Weiter so“ ausgibt.

Es beschämt mich, in der SZ Sätze wie diesen über die SPD zu lesen:

…vor allem aber sieht sich die Partei dem Verdacht ausgesetzt, sich wie zu Hochzeiten des Kölner Klüngel verhalten haben.
Quelle: SZ vom 20.05.2015

Das Ganze dann unter der Überschrift „Die SPD ist ausgezählt“.

Vielleicht allen Politikern mal als Erinnerung: Keine Stadt ist Eigentum einer Partei. Entsprechend sollte sich jeder auch verhalten. Wer einen Fehler macht, sollte dazu stehen. Fehler sind menschlich, sie einzugestehen, zeigt nicht Schwäche, sondern Größe. Versucht man sie dagegen zu vertuschen, lässt das auch Rückschlüsse auf den Charakter zu.

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