Es gibt Tage, da geht einem die Motivation mehr als flöten. Manchmal sogar zweieinhalb Jahre, bevor ein bestimmtes Ereignis stattfindet. So war es gestern bei mir, dass ich mir ernsthaft die Frage gestellt ob ich noch Mitglied in der SPD oder bereit bei der S.P.D. (sieben Prozent Durchschnitt) bin. Nach dem Artikel bei Spiegel-Online wurde mir ganz anders. Das konnte, das durfte doch Sigmar Gabriel, gerade auch in seiner Funktion als Parteivorsitzender nicht ernsthaft von sich gegeben haben.
Aber der Reihe nach. Als SPD-Mitglied und Facebook-Nutzer bin ich vor einiger Zeit auch der Gruppe „SPD in Facebook“ beigetreten. In meiner Timline bei Facebook bekomme ich auf diese Weise das eine oder andere an Diskussionen mit, was mir wohl sonst entgehen würde. So auch den Hinweis auf den Artikel mit der mich fast vom Stuhl werfenden Überschrift „Große Koalition: SPD-Chef Gabriel gibt Wahl 2017 de facto verloren“. Der erste Gedanke von mir war dann, dass der Elefant im Porzellanladen wieder zugeschlagen hat. Nach TTIP und den Streicheleinheiten für Katar wieder weißes Gold, was mit großer Lust zerschlagen wird.
Entsprechend fiel auch meine erste, spontane Reaktion bei Facebook aus:
Wenn ich die Schlagzeile lese, kann ich Sigmar nur eines empfehlen: Sofort seinen Posten als Parteivorsitzender zur Verfügung zu stellen.
Erst danach (ich weiß, man sollte eigentlich erst lesen und dann seinen Mund aufmachen beziehungsweise einen Kommentar in sozialen Netzwerken posten) las ich den Artikel bei Spiegel-Online. Bereits in der Subline stand dann „In interner Runde redete der Parteichef kürzlich nach SPIEGEL-Informationen Klartext.“ Demnach hat sich Gabriel also nicht mit solch einer brisanten Aussage an die Presse gewendet, sondern sich lediglich SPD-intern als Orakle für die nächste Bundestagswahl versucht. Irgendjemand anders aus dieser internen Runde hat dann anschließend geplaudert. Parteiintern muss in so einem Fall selbstverständlich geklärt werden, wo die undichte Stelle ist.
Zudem stellt sich die Frage, wem mit dem Artikel mehr geschadet wird: der SPD oder ihrem derzeitigen Vorsitzenden. Besonders gelungen ist so eine Einschätzung allerdings immer noch nicht, ganz unabhängig davon, für welche Ohren sie eigentlich bestimmt war.
Fakt ist jetzt nämlich, dass der Geist aus der Flasche ist, wenn man so will. Die Öffentlichkeit und nicht nur ausgewählte SPD-Mitglieder, die bei der Vorstandsklausur Anfang Februar anwesend waren, kennt jetzt die Einschätzung von Sigmar Gabriel in Bezug auf die Chancen seiner Partei. Er hält die Wahl für verloren, ohne die Schlacht zu schlagen. So was ist keine besonders große Motivation für die Mitglieder der SPD, insbesondere nicht für die ehrenamtlichen Wahlkämpfer.
Wie, so frage ich mich, wollen Ortsvereine künftig ihre Mitglieder ansprechen, wenn es darum geht, Wahlkampfstände zu besetzen? Wer will noch Material für seine Partei verteilen, wenn der eigene Vorsitzende die Wahl schon als verloren ansieht?
Fest steht, es wird für die Sozialdemokraten nicht leichter, sondern schwerer. Noch schwerer nach dem Spiegel-Artikel. Man kann zwar darauf bauen, dass die Wählerinnen und Wähler den Artikel in den nächsten Monaten schnell wieder vergessen, sofern eine große Mehrheit in überhaupt zu Kenntnis genommen hat. Der politische Gegner jedoch wird sich die Hände reiben und diesen Artikel in seinen Giftschrank legen und rechtzeitig vor der Wahl wieder raus holen. Besseres Material, um der SPD dann an den Karren zu fahren, muss man sich erstmal mühsam ausdenken.
In der Facebook-Gruppe, am Rande bemerkt ging die Diskussion dann gestern Nachmittag richtig los. Bis heute, 17:25 Uhr zähle ich weit über 100 Kommentare, die ich alle einzelne bei Mail weitergeleitet bekomme. Bei so was merkt man dann, dass man seine Facebook-Einstellungen noch mal überarbeiten muss. Wobei, interessant ist die Diskussion auf jeden Fall und an Anmerkungen wie dieser
Bei allem Respekt, wer eine Wahl, die erst in zwei Jahren ist, bereits jetzt aufgibt, hat nichts auf dem Sessel von Willy Brandt verloren!
Ist auch ein Körnchen Wahrheit dran.
Der Parteivorsitzende, von dem nicht zu erwarten ist, dass er aus der Sache irgendwelche persönliche Konsequenzen zieht, sollte sich im Übrigen mal Gedanken machen, auf welche Weise man Menschen motiviert — egal ob im kleinen Kreis oder in großen Massen.
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