Dem Rhein, als Fluss, bin ich bereits meiner Kindheit verbunden. Aufgewachsen und bis zum 20. Lebensjahr am Niederrhein gelebt. Dann kam die selbst gewählte Diaspora in einer Stadt namens Bielefeld. Ganz ohne Rhein, ganz ohne nennenswerte Gewässer — die später freigelegte Lutter zählt definitiv nicht.
In Köln (ja, ich darf als 50% Kölner auch über diese Stadt lästern) lernte ich dann einen anderen Rhein kennen. Landschaftlich weniger reizvoll als das, was ich vom Niederrhein her kannte. Durch Fahrten mit dem Zug Richtung Süddeutschland sah ich andere Seiten des Flusses, Dokumentation wie „Rheingold“ zeigten mir das vielfältige Gesicht des Rheins. Und doch ist das kein Ersatz für selber erleben.
Bereits im letzten Sommer entstand in meinem Kopf die Idee, einen der Wanderwege entlang des Rheins in Angriff zu nehmen. Der „Rheinsteig“ lockte. Im vergangenen Herbst kauften meine Frau und ich dann den Kompass Wanderführer Rheinsteig. Es war das erste Buch, was uns zum Pfad in die Hände viel und wir kauften es, ohne groß darüber nachzudenken in einer Bahnhofsbuchhandlung. Wanderführer, so habe ich mittlerweile leidlich gelernt, sollten mit Bedacht ausgewählt werden. Aber ich will nicht vorgreifen.
Monatelang lag der Wanderführer bei den anderen Materialen, auch beim Buch „Kölnpfad“ aus dem Bachem-Verlag. Gestern wollte ich dann angesichts des schönen Wetters endlich die erste Etappe in Angriff nehmen. Leider ohne meine Frau, die sich mit Schulvorbereitungen herumquälte. Ein ganz andere Art von Qualen ersparte sie sich jedoch damit.
Bereits im Zug stellte ich fest, dass ich zwar den Akku zum aufladen des iPhones dabei hatte, das Ladekabel jedoch sicher zu Hause lag. Vor die Wahl gestellt, entweder Fotos zu machen oder die Route aufzuzeichnen, entschied ich mich für die Fotos. Schließlich wollte ich ja was mitbringen.
Nur grob blätterte ich noch mal durch die Routenbeschreibung. Die Länge der Etappe wurde im Wanderführer mit 17,5 km angegeben. Das sollte dann 5:30 Stunden dauern. Über so eine Angabe konnte ich nur müde lächeln. Beim Kölnfad schafften meine Frau und ich diese Distanz locker in drei Stunden. Die 1. Etappe des Rheinsteigs war als „leicht“ gekennzeichnet und mit dem Zusatz versehen „geeignet für Familien“. Wie hätte ich da vorsichtig oder misstrauisch sein sollen?
Vom alten Rathaus in Bonn sollte es los gehen, bereits am Startpunkt zeigte sich die gute Beschilderung, die auch auf der ganzen Etappe konsequent so durchgehalten wurde. Mich bestätigte das darin, diesmal ohne GPS und andere Navigationshilfe auszukommen. Einfach immer der Beschilderung nach.
Über die Kennedy-Brücke ging es bei ordentlichem Wind auf die andere Seite, nach Bonn-Beuel. Bis zum Freizeitpark Rheinaue führt die Strecke unmittelbar am Rhein entlang, gut gepflastert erforderte das keine Anstrengung. Dann bog die Etappe ab, Richtung Ramersdorf. Der Rhein lag im meinem Rücken, dafür lernte ich dann den imposanten Telekom Campus kennen. Später, an der St.-Gallus kirche wurde mir zum ersten Mal wirklich bewusst, dass ich den gemütlichen Teil hinter mir hatte. Fortan ging es beständig bergauf. Stand auch so im Wanderführer.
Inzwischen wurde mir, beständig weiterlaufend bewusst, dass ich wohl doch etwas verschätzt hatte. Eigene Kondition und Anforderungen der Strecke passten nicht zusammen. Belohnt wurde ich in Oberdollendorf mit einem fantastischen Ausblick runter auf einen Weinberg, auf das Städtchen und den wundervoll eingerahmten Rhein. Ich wähnte mich siegessicher, fest im Glauben, jetzt nur noch ein kleines Stück bis Königswinter laufen zu müssen. Bezogen auf die gesamte Strecke ist das durchaus richtig. Und bis zum Kloster Heisterbach fühlte ich mich auch noch fit genug. Ab da begann allerdings der Aufstieg auf den Petersberg, auf 330 Höhenmeter. Die letzte Strecke bis zum ehemaligen Bundesgästehaus empfand ich als deutlich anspruchsvoll.
Ich war, so muss ich gestehen, beim wandern noch nie der Verzweiflung so nah. Oben angekommen lief ein situiert gekleidetes Pärchen (sie mit Stöckelschuhen) entspannt umher und genossen den Ausblick. Was man besonders gut kann, wenn man dem Auto hochgefahren ist und sich nicht wie ich im Schweiße seines angesichts hochgequält hat. Nach einem obligatorischen Foto von oben wurde mir klar, dass ich in meiner derzeitigen Verfassung unmöglich die noch verbleiben Strecke laufen konnte. Von kommot ließ ich mir die kürzeste Verbindung zum Bahnhof in Königswinter ausrechnen. Brutal genug, dass ich ein gutes Stück wieder zurück gehen musste, über genau den Pfad, der mich schon beim Aufstieg so gefordert hatte. Immerhin, es war nur 2,8 Kilometer zum Ziel. Tapfer hielt ich durch.
Von Königswinter ging es mit der Regionalbahn zurück nach Köln, geschlagen, müde und demotiviert. Dennoch nahm ich mir den Reiseführer vor, stellte fest, wie extrem nachlässig er geschrieben wurde. Lektoriert hat den wohl keiner. Wichtige Ergänzungen, wie Zugriff auf GPS-Daten such man auch vergeblich. Vergleicht man die 1. Etappe im Wanderführer mit der offiziellen Streckenführung, stellt man auch Unterschiede fest. Die Etappe wird als mittelschwer angegeben und hat eine Gesamtlänge von 21,9 Kilometer. Sie hat zudem einen anderen Endpunkt. Allerdings, 21,9 Kilometer hätte ich gestern beim besten Willen nicht geschafft. Ein neuer Wanderführer für den Rheinsteig? Wird ein unvermeidlicher Pflichtkauf sein.
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