Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Die Innenperspektive bedeutet all zu oft, sich lediglich im eigene Saft zu drehen. Vor allem aber, das Gefühl würde das Wesentliche zu verlieren. Ereignisse oder Zustände werden so viel zu schnell als selbstverständlich hingenommen. Schaut man dagegen von außen, erkennt man wesentlich leichter, was falsch läuft. Keine Stadt hat die eigene Nabelschau so perfektioniert wie Köln. Für den Kölner an sich dreht sich die Welt selbstverständlich um diese Stadt am Rhein. Statt Selbstkritik setzt man in Köln auf das berühmte „Et es wie et es“. Im Zweifelsfall gießt man über alles den Zuckerguss rheinischen Frohsinns. Mit genügen Schunkeln und Kölsch sieht die Welt dann irgendwann so aus, wie sie einem gefällt.

abgesagtermottowagen

Der umstrittene Mottowagen

Außenstehende gibt Köln immer wieder Anlass zum Kopfschütteln, so war es auch diese Woche. Eigentlich ging es um ein eher harmloses Thema, den Karneval. In Köln allerdings ist der Karneval grundsätzlich immer eine ernste Sache, die Fünfte Jahreszeit hat hier den Charakter eines Nationalfeiertages. Auch wenn der Kölner gerne zu Gast bei sich selber ist, schwappt nicht nur der Rhein manchmal über die Ufer, sondern es werden auch politische Ereignisse von außerhalb angespült.

Während die Reaktion in der Domstadt auf den PEGIDA-Ableger als Beispiel dafür dienen könnte, wie Courage und Entschlossenheit den Angst schürenden Dümpfbürgertum keinen Fußbreit Platz überlassen, ist der Umgang mit einem Motto-Wagen für den anstehenden Rosemontagszug bedenklich. Statt für Presse- und Meinungsfreiheit einzutreten, möchte man lieber ungestört feiern. Dabei wollte man ursprünglich ein Zeichen setzen. Ein mutiger Wagen, der ganz deutlich machte „Ich bin Charlie“. Leider begingen das Festkomitee des Kölner Karnevals den Kapitalfehler, eine Zeichnung des Wagens zu veröffentlichen und darüber diskutieren zu lassen. Etwas, was man weiter unten in Düsseldorf nie tun würde. Die Wellen in den sozialen Netzwerken schlugen genau so hoch wie in der Lokalpresse.

Von den ersten Ausläufern bekam ich nicht mit, da ich, obwohl mein Abo des Kölner Stadt-Anzeiger noch bis Ende März läuft, mittlerweile wieder die Süddeutsche Zeitung im Abo habe. Und dort stolperte ich auch zum ersten Mal ganz bewusst über die Diskussion, die mittlerweile nicht mehr nur in Köln geführt wurde, sondern im ganzen Land. So war Köln quasi zu Gast in München. Bei der SZ zeigte man wenig Verständnis für den Rückzug des Wagens. Insbesondere deshalb, weil die angebliche Terrorgefahr ein Phantom zu sein schien. Sehr deutlich wurde Martin Zips in seinem Kommentar am Freitag in der Süddeutsche Zeitung.

In Düsseldorf ist man da schon weiter. Dort zeigt man die Motivwagen erst im Zug – und auf der Straße darf sich natürlich auch jeder drüber aufregen. Da muss man auch nicht damit rechnen, dass regionale Zeitungen den Einsatz von SEK-Kommandos während der närrischen Tage herbeischreiben
Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 30.01.2015

Welche lokale Zeitung hier gemeint ist, war für mich nicht schwer zu erraten. Besonders, weil ich mir selber noch mal ein Bild machen konnte von dem, was der Kölner Stadt-Anzeiger in dieser Woche zum Thema so geschrieben hatte. So hieß auf der Titelseite des KSTA am Mittwoch: ‚Polizeischutz für Mottowagen zu „Charlie Hebdo“‘. Weder die Polizei noch Kölner Karnevalskomitee wusste vom angeblichen Einsatz. Wiederum in der SZ äußerte sich Christoph Kuckelkorn, der stellvertretende Chef des Festkomitees dazu:

„Die Kölner Presse hat durch ihre Berichte sehr viele Ängste geschürt. In den Meldungen stand zum Beispiel, dass die Polizei mit SEK-Kommandos unsere Wagen begleiten wird“, sagt Kuckelkorn. Was man nie vorgehabt habe, wie auch die Polizei sagt.
Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 30.01.2015

Hier geht es weniger um Sicherheit denn um Erbärmlichkeit. Sicher, im Karneval sollte niemals das Leben von Menschen aufs Spiel gesetzt werden. Mut und Dummheit liegen manchmal auch gefährlich nah beieinander. Jedoch, und auch das lässt sich woanders lesen, brachte man sich selbst in die Situation durch die Veröffentlichung dessen, was man vorhatte. Wenn niemand weiß, welche Wagen am Rosemontag fahren, kann man allenfalls am Aschermittwoch empört sein. In Düsseldorf fährt man damit ziemlich gut.

Wer sowohl den Kölner Stadt-Anzeiger als auch die Ausgaben der Süddeutsche Zeitung in dieser Woche verpasst hat, dem sei die neue Ausgabe der Stadtrevue ans Herz gelegt. „Alaaf — Ist Karneval politisch?“ Im Titelthema geht es auch das, was Satire darf. Und die Frage, ob Kölner überhaupt Satire können. Frei nach Jürgen Becker sollte man Satire besser denen überlassen, die was davon verstehen. Den Düsseldorfern.

Zu guter Letzt hat sich dann auch noch Der Postillion Gedanken gemacht, wie die Zukunft des Kölner Karnevals aussehen könnte. Statt Motto-Wagen fährt man graue Quader durch die Straßen. Daran kann dann nun wirklich keiner mehr Anstoß nehmen.

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