Machen wir uns nichts vor. Die cooleren Mitschüler hatten damals eine Carrera-Bahn. Aus denen mit einer Modelleisenbahn wurden später wurden später Pullunder tragende Finanzbeamte — oder so ähnlich. Mir ist das zum Glück erspart gewesen, obwohl ich ebenfalls eine Modelleisenbahn hatte und mein Großvater sich damals nichts sehnlichster wünschte, als das ich beim Finanzamt anfangen würde. Über seine Motive könnte man an dieser Stelle Vermutung anstellen, aber beschränken wir uns der Einfachheit lieber auf meine Modelleisenbahn.
Wenn man Ende der 70er Anfang der 80er sich mit Modelleisenbahnen beschäftigte (oder in meinem Fall beschäftigt wurde), dann gab es, ähnlich wie bei den Füllfederhaltern in der Schule (und später bei den Homecomputern) zwei Welten. Entweder Fleischmann oder Märklin. Natürlich waren weder Schienen noch Züge miteinander kompatibel. Zu meinem damaligen Glück bekam ich eine Eisenbahn von Märklin geschenkt. Und nicht nur das. Die Eisenbahn war auf einer Platte aufgebaut (eigentlich regelrecht montiert) und mein Großvater hatte zusammen mit meinem Vater ein ganzes Zimmer auf dem Söller (Dachboden) drum herum gebaut.
Während die Begeisterung über ein eigens Zimmer anhielt, verflog mein Interesse an der Modelleisenbahn schnell. Die Landschaft war zwar richtig klasse, mit Foto-Tapete im Hintergrund, Tunnel und Gebirgslandschaft, Modellhäusern und Figuren. Aber es war alles festgeklebt. Selbst die Autos vor den Häusern. Das Einzige, was ich machen konnte, war den Zug im Kreis fahren lassen. Für etwas Abwechslung sorgte ein Gleis, welches zum Bahnhof führte sowie ein Abstellgleis und drei Weichen. Am liebsten ließ ich den Zug entgleisen. Gerne auch mal im Tunnel. Oder ich stellte ein Auto auf die Gleise (mit etwas Gewalt löste ich die festgeklebten Teile von der Platte). Besonders lustig war mein Spiel „Winterlandschaft“ mit vielen kleine Styroporkügelchen. Weniger lustig war das später von oben verordnete saugen — vielleicht habe ich es ja auch provoziert, als ich die Styroporkügelchen mit Sägemehl ergänzte.
Zwei Sachen war an der Modelleisenbahn unschlagbar, selbst von Kindern, die eine deutlich größere Eisenbahn hatte. Ich war im Besitz eines echten Kursbuchs und eines alten Drehstuhls aus einem Stellwerk der Bahn. Das sind ein paar der Vorteile, wenn man einen Eisenbahner zum Vater hat. Fahrplan lesen konnte ich schon recht früh und nicht ohne Grund ist einer meiner Lieblingsfilme „Zugvögel“.
Warum ich überhaupt auf das Thema „Modelleisenbahn“ kam, selbstverständlich an der ganz normalen Bahn, mit der ich morgendlich zur Arbeit fahre. Wenn die Verspätung hat und die Gedanken frei gelassen werden, führt das mitunter zu merkwürdigen Überlegungen. Meine heute steckt zum Teil in der Einleitung. Ob der Besitz einer Modelleisenbahn ein Trauma bei mir hinterlassen oder sich möglicherweise auf mein Verhältnis zu Bahn ausgewirkt habe, ging mir durch den Kopf. Es bleibt nach wie vor die Befürchtung, irgendwann mit Erreichen der Rente würde ich mir ein Zugabteil im Keller nachbauen oder mich Tagelang einschließen und mit dem Ausbau meiner neu angeschafften Modelleisenbahn beschäftigen. Dieser beunruhigende Gedanken verschwindet zum Glück wieder und gelöst lache ich dann auf. Modelleisenbahn, das war früher und bleibt früher.